Klima, Bürgergeld und Twitter: Wer hat Angst vorm Atomkrieg?
Russlands Außenminister Lawrow lässt es sich auf Bali gut gehen. Twitter ist noch da. Und Klimaaktivisten haben noch keine neue Protestform gefunden.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kein Fußball im TV.
Und was wird diese Woche besser?
Kein Fußball im TV.
Der G20-Gipfel wurde von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine überschattet. Der russische Außenminister Sergei Lawrow verließ das Treffen vorzeitig. Hätte Russland überhaupt zum Gipfel eingeladen werden sollen?
Krieg heißt Krieg, atomare Bedrohung wird verdammt und auch China mahnt zur Zusammenarbeit: Wer mit dem Zettel in Moskau Autogramme sammelt, wird verhaftet. In Bali hat’s Lawrow unterschrieben; dann schwänzte er das Abschlussbankett, vulgo: musste ohne Abendessen ins Bett. Die Gipfel ohne Russland mögen recht gehabt haben, die mit könnten Recht herstellen.
Jetzt ist mal wieder ein Mondflug der Nasa gestartet. Mit dem Programm sollen in den kommenden Jahren wieder US-Astronauten auf dem Mond landen. Was wollen die Amerikaner*innen eigentlich da oben?
Päuschen machen und gendern. Der Mond soll letzte Tanke vor der Mars-Etappe werden. Am Südpol gibt es Wassereis, Sonnenlicht, also Treibstoff und eigentlich alles außer Bild und Sanifair-Bons. Um dorthin auch Frauen schicken zu können, soll Dummy „Helga“ rausfinden, wie verstrahlt man zurückkommt und ob es spezifische Krebsrisiken für weibliche Körper gibt. Deshalb der Name von Apollons Schwester Artemis. Vorab haben die USA durch Verträge bedingt, dass kommerzielle Unternehmen Bodenschätze ausbeuten dürfen. Immer noch Exportartikel Nummer eins: Wilder Westen.
Ein Klimaaktivist der Letzten Generation schleudert Öl auf ein Klimt-Werk in Wien. Ein weiteres Kunstwerk in der Reihe von berühmten Malern wie Monet, Vermeer und Goya, das Opfer von diesen Aktionen wird. Bei welchem Gemälde wären Sie traurig, wenn es angeschüttet wird?
Die Metapher, dass Öl die menschliche Kultur zerstört – überzeugt eher als sagen wir mal Kartoffelsalat. Ein paar missmutige Performance-Künstler grummeln „Hey! Das ist unser Job!“ und clevere Museumsshops bieten Mitnehm-Sets für den Klimaprotest zu Hause; ein hochwertiger Kunstdruck und ein Eimer Mampf. Die Protestform – irgendwo zwischen gewaltfrei und gehaltfrei – nutzt sich ab. 1969 goss der „Fluxus“-Künstler Wolf Vostell einen „Opel Kapitän“ mit Beton aus und über, „das Autoradio blieb an“. Er steht auf dem Kölner Hohenzollernring. Der Wind weht Pizzakartons und Pommesschalen längs – fertig.
Alle reden über Twitter und haben Angst, was Elon Musk als Nächstes macht. Welches Unternehmen bräuchte jetzt gerade unsere Aufmerksamkeit?
Neulich trendete „Bündnisfall“ und „Weltkrieg“, vor Jahren wurde ein narzisstischer Psychopath „mächtigster Mensch der Welt“ mithilfe dieses Mediums. Bei allem Verständnis für Menschen, die dort Unterhaltung, Bestätigung oder Anerkennung finden: Twitter ist ein Dino, in dessen vergleichsweise kleinem Hirn ein paar Wichtigheimer Witze über Kometen machen. Dann Peng und Ruhe.
Die Union hat den Gesetzentwurf zum Bürgergeld vor dem Bundesrat blockiert. Nächste Woche soll der Vermittlungsausschuss im Schnellverfahren eine Einigung über die umfangreiche Sozialreform finden. Wie geht es denn jetzt weiter?
Die SPD will das Teufelsmal „Hartz IV“ loswerden, die Union wird sich das teuer bezahlen lassen: Bei Schonvermögen, Vertrauenszeit und Lohnabstand. Am Ende erreichen beide zusammen, was keiner will: Hartz heißt Bürgergeld und inhaltlich ändert sich so wenig wie möglich.
Nach dem Raketeneinschlag in Polen gab es ein ganz schönes Chaos und Panikmache: War es Russland? War es die Ukraine? War der Einschlag beabsichtigt oder nicht? Müssen wir uns über die Berichterstattung Sorgen machen?
Nach einer Recherche der polnischen Gazeta Wyborcza, die die FAZ zitiert, wollte man US-Präsident Joe Biden beim G20-Gipfel nicht wecken. In dies Vakuum hinein manövrierte die Fehldeutung des Vorfalls die Lage an den Rand des Bündnisfalls. Eine Lage, in der sich ein alter Mann auf Bali noch mal rumdreht und vom Weltkrieg geweckt wird. Es wird schwerer, der ukrainischen Regierung vollstes Verständnis und größte Zurückhaltung zugleich entgegenzubringen. Und bei Strack-Zimmermann nicht direkt zu lachen.
Und was machen eigentlich die Borussen?
Bricht heute auf nach Malaysia, Singapur und Vietnam. Bisschen Werbung für den Fußball, also das Gegenteil von Katar.
Fragen: Ann-Kathrin Leclere
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben