Klima-Aktivist:innen kapern die taz: Wohin will die Bewegung?
Zum Globalen Streiktag am 25. September übernehmen Aktivist*innen die taz. Viel Respekt gegenüber den taz-Strukturen zeigen sie nicht. Gut so!
D er globale Streiktag ist nur ein praktischer, ein willkürlicher Anlass. Genausogut könnten es die Waldbrände in den brasilianischen Binnenfeuchtgebieten oder im Süden Kaliforniens sein. Oder die aktuellen Studien zu klimabedingter Migration oder dazu, wie überproportional hoch der Beitrag des reichsten 1 Prozent der Menschheit zur globalen Erhitzung ist. Gelegenheiten, mehr noch: Notwendigkeiten, die Klimakrise zu thematisieren, finden sich für die taz alle Tage. Nur: Wie gelingt das immer wieder neu?
Für den 25. September hat die Bewegung einen Global Strike Day ausgerufen. Ein guter Zeitpunkt, Aktivist*innen selbst zu Wort kommen zu lassen – unzensiert und ohne redaktionelles Dazutun: Die taz hat ihre Printausgabe für diesen Tag an 50 Menschen aus allen Teilen der Bewegung übergeben. „Freundliche Übernahme“ nennt sich das im Haus. Das Konzept hat Tradition: In den letzten Jahren haben auch schon Menschen mit Behinderung eine Ausgabe gemacht, Verleger*innen, 18-Jährige und andere.
Dieses Mal dabei sind nun Leute von Fridays for Future, von Ende Gelände, von Bürger:inneninitiativen, aber auch Gewerkschafter:innen, Mitglieder traditioneller Umweltverbände, queere und nicht so queere Menschen, ganz junge und deutlich ältere: Die aktivistische Redaktion ist so divers wie die Bewegung.
Und sie hat die taz komplett durcheinandergewirbelt. Traditionelle Ressorts wurden aufgelöst oder verkleinert. Viel Platz bekommen Bildung und Wissenschaft. Systemwandel findet auf eigenen Seiten statt wie auch Bewegung. Kommentare werden nicht eigens betreut und ausgegliedert, sondern dürfen quasi überall vorkommen. Was für die größte Aufregung sorgte: Auch die in der taz verankerte Trennung von Redaktion und Anzeigengeschäft wurde für diese Ausgabe ausgesetzt. Eine zunächst geplante Anzeige eines gewissen fossilen, Teilen der Bewegung nicht eben wohl gesonnenen Konzerns brachte das Projekt kurzzeitig ins Wanken, letztlich hatten die Aktivist*innen die besseren Argumente.
Wohin will die Klimabewegung?
Inhaltlich – und das wird dann auch hier auf taz.de zu sehen sein – erhält die Selbstverständigung viel Raum: Wie ist das, in der Zukunftskommission Landwirtschaft zu sitzen? Wollen wir so etwas weiterhin? Besetzen wir die Straße und agieren außerparlamentarisch? Gehen wir in die Abgeordnetenhäuser?
Und wie ist es mit der Rolle von Einzelnen? Nützt es überhaupt etwas, den eigenen Konsum kritisch zu hinterfragen, wenn doch die großen politischen Entscheidungen viel mehr bewegen könnten? Achtung, Spoiler: „Ohnmacht angesichts der bestehenden Verhältnisse ist kein Grund, in Zynismus zu verfallen und gedankenlos zu konsumieren.“
Aber auch die innere Verfasstheit steht auf dem Prüfstand. Etwa mit Beiträgen, wie stark und untergründig koloniale oder andere hegemoniale Strukturen sich auch in Klimagruppen widerspiegeln. Wie leicht auch die in der Öffentlichkeit als Gesichter der Bewegung wahrgenommenen Greta Thunberg und Luisa Neubauer in die Falle tappen, Aktivist*innen aus dem Globalen Süden mehr mit kolonialem Wohlwollen als auf Augenhöhe zu begegen. Warum die Klimabewegung auch eine feministische sein muss und Klimagerechtigkeit nur mit queeren Perspektiven funktionieren kann. Gar nicht zu reden vom konkreten Blick über den Tellerrand: Wie ergeht es Aktivist:innen in Uganda, wie Menschen, die sich engagieren wollen, aber durch ihren Status als Geflüchtete behindert werden?
Es gibt viel zu lesen. In der taz-Printausgabe vom 25. September und mit einem eigenen Schwerpunkt ab sofort hier auf taz.de.
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