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Kleidsamer Protest in KolumbienMänner im Minirock

Weil eine Studierende attackiert wurde, rät eine Universität in Medellin, sich züchtig zu kleiden. Aus Protest kommen nun selbst Männer leicht bekleidet.

„Ich entscheide, wie ich mich kleide“ – sagen die Studentinnen der Universidad Pontificia Bolivariana Foto: photocase/mariloo

Berlin taz | Kolumbianische StudentInnen zeigen neuerdings demonstrativ Bein. Frauen wie Männer sind in den vergangenen Tagen in Miniröcken an der Universidad Pontificia Bolivariana (UPB) in der Millionenstadt Medellin erschienen, um gegen rigide Bekleidungsvorschriften zu protestieren.

Ausgelöst wurde der Streit durch den Übergriff eines Studenten auf eine Kommilitonin. Wie ein in sozialen Medien kursierendes Video zeigt, hatte er ihr auf dem Unigelände den Rock hochzogen und sie anschließend zu Boden gestoßen.

Daraufhin hatte die Leitung der katholischen Hochschule auf ihrer Homepage Ende Januar Regeln zur angemessenen Bekleidung für den Gang zur Uni veröffentlicht. Schließlich gebe es für Studentinnen „nichts unangenehmeres als die Aufmerksamkeit deiner Studienkollegen oder Lehrer“.

In dem mittlerweile wieder gelöschten Text wurde daher empfohlen, auf sehr enge Kleidung, Miniröcke, Shorts und tiefe Dekolletés zu verzichten. „Zieh dich nicht an, als würdest du auf eine Party gehen“, heiß es weiter. Frauen sollten zudem auf hochhackige Schuhe verzichten, solange dies nicht „für die Arbeit oder ein Vorstellungsgespräch erforderlich ist“.

Unileitung entschuldigt sich auf Facebook

Das löste im Laufe der Woche die Protestwelle aus. Studierende kamen explizit leicht bekleidet zur Uni, trugen Pappschilder mit der Ankündigung „Ich entscheide, wie ich mich kleide“ und twitterten unter dem Hashtag #UPBenFalda (etwa: „UPB im Rock“) Fotos von ihren Aktionen. Andere schlugen als wirksamere Regel einen Augenschutz für Männer an der Uni vor.

In Europa ist Medellin immer noch vor allem durch den Drogenboss Pablo Escobar bekannt, der in den 1990er Jahren dort lebte. Dabei ist die zweitgrößte Stadt Kolumbiens heute längst eine weltoffene Metropole, mit einer starken Frauenbewegung.

Angesichts der Proteste hat die Unileitung inzwischen einen Rückzieher gemacht und entschuldigte sich auf Facebook für Missverständnisse. Die Minirockvermeidung sei nur als allgemeine Empfehlung, keinesfalls aber als Regel gedacht gewesen.

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2 Kommentare

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  • Ich freue mich ehrlich gesagt jedes Mal diebisch, wenn ich solche Sätze lese wie "...hatte die Leitung der katholischen Hochschule... daher empfohlen, auf sehr enge Kleidung, Miniröcke, Shorts und tiefe Dekolletés zu verzichten." Diese sind nämlich wertvolle Beiträge zum Thema christliche Werte, die von gewissen Politikern immer strapaziert werden, wenn es um Kritik gegenüber dem Islam geht. "Und sprich zu den gläubigen Frauen, dass sie... ihren Schmuck nicht zur Schau tragen sollen... und dass sie ihre Tücher um die Kleidungsausschnitte schlagen und ihren Schmuck vor niemand anderem enthüllen sollen als vor ihren Gatten oder ... männlichen Dienern, die keinen Geschlechtstrieb mehr haben..., so der Koran Sure 24, 31. Tönt doch ähnlich wie diese katholische Uni. Die Frau als Ursünderin und ewige Verführerin und der Mann als schuldloses, verführtes Opfer sind urchristliche Vorstellungen seit Anbeginn der Zeiten als Eva dafür sorgte, dass die Menschen aus dem Paradies vertrieben wurden. Diese haben es problemlos bis in die heutige Zeit geschafft, auch in unsere moderne Gesellschaft. Die Frau im falschen Kleidungsstück oder am falschen Ort ist das Problem, nicht der übergriffige Mann. Diese Aussage kann man in Kairo, Delhi oder auch in Berlin und Budapest hören. Das zum Thema, wenns sich wieder einmal gewisse Leute gleichzeitig über die Enthüllung der Frauen unserer Kultur und die Verhüllung von Frauen aus fremden Kulturen aufregen.

  • "Die Minirockvermeidung sei nur als allgemeine Empfehlung, keinesfalls aber als Regel gedacht gewesen."

     

    Egal ob Empfehlung oder Regel, die Schuld wird erst einmal der Frau und nicht dem Mann gegeben. Davon hat sich die Uni-Leitung anscheinend nicht distanziert.