Klavierkonzert für Israel-Geisel: Solidarität ist ein Marathon
Bei der Soli-Aktion „Das gelbe Piano“ setzt der Star-Pianist ein Zeichen für die Entführten der Hamas. Auch in anderen Städten gab es Konzerte.
Am Schluss, das Konzert ist beendet und alle Reden sind gesprochen, geht der Pianist Igor Levit auf die Frau mit den langen blonden Haaren zu. Beide umarmen sich. Das Publikum applaudiert. Auf dem Klavier hinter ihnen steht, beleuchtet und unübersehbar in gelber Schrift: „You are not alone“, Du bis nicht allein.
Der Satz gilt den 136 Menschen aus Israel, die sich seit einhundert Tagen in der Geiselhaft der Hamas im Gazastreifen befinden. Ganz besonders aber hier, an diesem Sonntagabend in der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel, Alon Ohel.
Der 22-Jährige ist der Sohn von Idit Ohel, der eingangs erwähnten Frau mit den langen Haaren, die Levit umarmte. Auch er ist einer der Entführten. Die Hamas hat ihn wie viele andere am 7. Oktober auf dem Nova Musik Festival in der Nähe des Kibbuz Re’im gekidnappt. Und weil auch Alon Ohel ein Pianist ist, spielt am Sonntagnachmittag der berühmte Musiker Igor Levit für ihn am Klavier Stücke von Johannes Brahms.
Nicht nur in Berlin erinnert „das gelbe Piano“, wie die Aktion heißt, an den Entführten, auch anderswo finden Solidaritätskonzerte für ihn statt, in Amsterdam, Tokio oder in New York. Und es stehen dort gelbe Klaviere, und jeder, der die Fähigkeit besitzt, ist aufgefordert, darauf zu spielen.
Für das Recht, frei zu sein
Alon Ohel hat noch eine Schwester und einen Bruder, erzählt die Mutter in Berlin. „Alon spielt, seit er neun Jahre alt ist“, sagt sie. „Musik ist ein Teil von Alon. Das Klavier ist ein Teil von ihm. Er hat das Recht, frei zu sein!“
Igor Levit spricht davon, dass es ihm „eine Ehre sei“, hier in der James-Simon-Galerie für Ohel zu spielen. „Empathie zu zeigen ist nichts, worauf man stolz sein kann“, sagt er. „Es ist das absolute Minimum.“ Etwa 230 Gäste sind heute zu der vom World Jewish Congress organisierten Veranstaltung gekommen.
Es ist das, was man ein Heimspiel nennt. Der Beauftragte gegen Antisemitismus, Felix Klein, ist da, der Botschafter des Staates Israel, Ron Prosner, und viele in Berlin lebende Jüdinnen und Juden.
„Der Horror muss ein Ende nehmen“, sagt Botschafter Prosner. Einhundert Tage seien eine lange Zeit, besonders für den jüngsten der Entführten. Dabei handelt es sich um ein Baby, das nun ein Drittel seines Lebens in Geiselhaft verbracht hat. Solidarität, sagt Prosner, „ist kein Sprint, sondern ein Marathon“. Er nährt damit indirekt die Befürchtungen, dass die Geiseln nicht so schnell freikommen werden wie erhofft.
Ein Gast weiß an diesem Nachmittag in der James-Simon-Galerie aus eigener Erfahrung, was ein Solidaritätsmarathon ist: Margot Friedländer, 102 Jahre alt, Überlebende des Holocaust. Die Jüdin hat die Verfolgung der Nazis versteckt überlebt dank der Hilfe von vielen Nichtjuden. Sie ist dann doch festgenommen und ins Getto Theresienstadt deportiert worden. Auch das hat sie überlebt. Friedländer muss keine Rede halten. Wofür sie steht, weiß man auch ohne Worte.
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