Klaus Staeck verabschiedet sich: Ein gesundes Ego

Klaus Staecks Amtszeit als Präsident der Akademie der Künste ist vorbei. Der Plakatprovokateur führte mit preußischer Disziplin und politischem Anspruch.

Konnte auch ganz schön plakativ sein: Klaus Staeck Foto: dpa

„Der Blick auf den Pariser Platz von meinem Büro aus wird mir fehlen. Das ist schon eine ganz besondere Atmosphäre in Berlin. Einfach toll“, sagt Klaus Staeck und zählt die Highlights auf, als wäre er ein Reiseführer, aber nicht der Präsident der Akademie der Künste: das Brandenburger Tor, dahinter der Reichstag, das politische Zentrum der Bundesrepublik, und natürlich die Adresse Pariser Platz 7, bis 1935 Wohnung und Atelier des Malers Max Liebermann. Wahrscheinlich hat Staeck oft in Richtung „Haus Liebermann“ geschaut, schon darum kommt die Nummer 7 nicht zufällig. Liebermann ist nicht nur ein großer Vorgänger im Amt des Akademiepräsidenten, sondern ein Vorbild für ihn. Ein Porträt des berühmten Malers hängt in Staecks Büro.

Zwölf Jahre hatte Liebermann, bis die Nazis ihn 1933 aus der Künstlersozietät warfen, als Präsident mit Macht, Einfluss und harter Arbeit die Preußische Akademie der Künste geführt. Klaus Staeck hat das gefallen, er mag preußische Tugenden. „Ich bin Preuße, ein preußischer Sozialdemokrat. Wir leben in einer Zeit der Maßstabslosigkeit und ich habe versucht, in meiner Amtszeit Maßstäbe zu setzen, Haltung und Disziplin zu zeigen. Vielleicht bleibt davon ja was.“

Klaus Staeck räumt nach neun Jahren als Akademiechef seinen Schreibtisch am Pariser Platz. Am Freitag ist Schluss. Nach der dritten Amtsperiode ist keine Wiederwahl mehr möglich.

Diplomat zwischen Hitzköpfen

Dass Staeck geht, dass er ein Loch reißt, fürchten manche der 400 Mitglieder in der über 300 Jahre alten Künstlersozietät. Der Präsident selbst weiß das auch, würde es jedoch nie offen zugeben. Staeck war erfolgreich, eine Institution in der Institution, ein Diplomat inmitten zum Teil hitziger Künstlerköpfe, Intellektueller und Interessen, aber auch ein Steher, wenn es darauf ankam. Er war die Akademie-Stimme nach innen und außen. „Er hat der Institution zu neuem Gewicht und Ansehen verholfen“, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagt. Nachdem der Künstler-Tanker 2006 arg schlingerte, „verschaffte Klaus Staeck sich und der Akademie auch dank seines gesunden Egos in der Politik wieder Gehör. Als Präsident hat er aktuelle Themen offen zur Diskussion gestellt und sich – so wie es sein soll – deutlich eingemischt.“

Es bleibt also etwas. Wie es weitergeht am Pariser Platz und am Hanseatenweg im Tiergarten, wird am Wochenende die Frühjahrsversammlung zeigen. Der Noch-Chef hält sich mit Prognosen und Namen zurück. „Ich hoffe, dass es einmal eine Frau wird“, sagt er höchstens. Mehr nicht.

Zum Abschluss hat die Akademie ihren 77 Jahre alten Präsidenten mit einer Ausstellung geehrt. Während Klaus Staeck im Studiofoyer der Akademie am Hanseatenweg über seine neun Berliner Jahre erzählt, ist einen Stock höher sein eigentliches Lebenswerk aufgeblättert: nämlich Staeck als Grafiker und bedeutender Plakatkünstler der BRD, der die bösen Buben der Republik und in der Welt, die Franz Josef Straußens und die Pinochets, mit seiner satirisch gefärbten Kunst ärgerte. „Kunst für alle“ lautet der Titel der Schau und zielt damit auch auf das Prinzip des Staeck’schen Kulturverständnisses. Demnach sollte „jeder Zugang zur Kunst haben“ – finanziell und sozial; nicht nur die Elite. Plakate waren wesentlich für die da, die ihrer bedurften. Die Vorstellung einer „Kunst für alle“ entstand im unruhigen Zeitgeist der 1970er Jahre, als Staeck, Beuys, Richter, Warhol oder Christo mit Plakaten, Reproduktionen, Multiples und Pop-Aktionen die Rolle der Kunst und ihrer Vermarktung hinterfragten. Tja, es waren wilde Zeiten. Sind die nur noch Geschichte?

Nein, sagt Staeck. Sowohl die Kunstwerke als auch eine Bundeseinrichtung wie die Akademie der Künste haben heute, wo Gemälde, Skulpturen, Architekturen scheinbar zur exklusiven Ware, ja zum Fetisch der Reichen mutiert sind, jene Aufgabe nicht verloren. Im Gegenteil: Kunst ist gleich Partizipation. Die Zeiten seien zwar härter geworden, eine neue Biedermeierlichkeit „lullt das Land wie in einen Nebel ein“, ärgert sich Staeck. „Umso mehr müssen wir uns einmischen, Positionen beziehen und auf unseren Interessen bestehen. Wir haben die öffentliche Rede und damit in der Öffentlichkeit auch Gewicht.“

Wenn Klaus Staeck so spricht, lässt er – der die DDR in seiner Jugend verlassen hat, Jura im Westen, aber nicht in Westberlin, studierte und im provinziellen Heidelberg lebt – jene linke Moral aufblitzen, die er als Künstler und Provokateur immer verkörperte. Und weshalb man ihn damals an die Akademie als Präsident geholt hat.

Damals. 1994, nach der Vereinigung der beiden Akademien Ost und West, und nach der Übernahme der Institution durch den Bund 2004 verglichen mache den Hanseatenweg mit einem Wespennest. Als 2005 der Schweizer Adolf Muschg als Präsident nach nur zwei Jahren im Zank mit dem Senat und den sechs Sektionen Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Literatur, Film- und Medienkunst, Baukunst, Musik das Handtuch warf, kam die Reihe an Staeck – „eher zufällig“, wie er mit Understatement sagt. „Ich wollte den Job damals eigentlich gar nicht, ich war nicht vorbereitet auf die harte Arbeit, die auf mich zukam.“

Auch um den Lichtschalter gekümmert

Als sie ihn dann 2006 gewählt haben und er bemerkt hat, dass „die Leute sich diesen Staeck geholt haben, weil der sowohl die Akademie mit der Politik und Öffentlichkeit wieder ins Gespräch bringen kann als auch in der politischen Arena erfahren ist“, hat ihn der Job gereizt. Und er war klug. Klaus Staeck hat sich ein paar treue Mitstreiter an seine Seite geholt, Nele Hertling zur Vizepräsidentin gemacht, um die Berliner Seele und den Tanz zu stärken. Und er hat sich gekümmert – vom kaputten Lichtschalter im Akademiekeller über den Ausbau des Archivs bis zu neuen Themen.

In seine Zeit fallen die großen Ausstellungen über den Musiker und Künstler John Cage, über Hanna Schygulla oder George Grosz, Hans Haacke oder über die Kunst und die Revolte.

Den Brückenschlag nach innen praktiziert Staeck auch nach draußen, er kommt zwar vom sogenannten künstlerischen Rand in dessen Zentrum, polarisiert aber nicht nur. Die Akademie wird so zum zivilgesellschaftlichen Magnet: Es gibt Diskussionen, Debatten, die „Akademie-Gespräche“: Sie sind das liebste Kind von Staeck. 62 unter seiner Leitung werden es insgesamt. Wie eine Konstante saß er auf dem Podium, nur an zwei Gesprächen konnte er nicht teilhaben – der disziplinierte Preuße aus Sachsen. Die letzte Runde veranstaltet Staeck zur Erinnerung an seinen Freund Heinrich Böll im Juni.

Die Akademie-Gespräche sind nicht nur Staecks Erfindung, sondern beinhalten die Botschaft, eine neue Streitkultur zu initiieren. „Es gab das Bedürfnis nach diesen Gesprächsrunden, nach Aufklärung und Information. Darum haben wir sie gemacht“, konstatiert Staeck. „Wichtig waren mir Zukunftsthemen. So haben wir etwa sehr früh ein Gespräch über die Krake Google gemacht.“ Es ging um das Klima, Kunst für Kinder, Kultur und Kommerz, den Dschungel Brasiliens und die Nazis in der deutschen Provinz, die Architekturen der Zukunft oder die neue Rolle der Künstler in Tunesien nach der Revolution und, und, und. Und manchmal so laut, dass man Staecks Ärger bis ins Kanzleramt hören kann. Etwa wenn er über Amazon oder das geplante Freihandelsabkommen mit den USA schimpft: „TTIP ist eine Hauptkampflinie für mich, ist eine Existenzfrage“, bedrohe das doch unsere europäische und demokratische Kultur. Daneben konnte er sehr leise sein: Etwa bei Günter Grass, den er sowohl in Sachen seiner SS-Vergangenheit als auch nach seinem israelkritischen Gedicht in Schutz nahm.

Es gibt Stimmen in der Akademie, die die Gesprächsreihen als ideale Bühne des Selbstdarstellers Staeck bezeichnen. Anderen geht seine Kritik nicht weit genug. Die Wahrheit liegt vielleicht irgendwo dazwischen, sicher aber nicht in der Mitte. Staeck debattiert einfach für sein Leben gern und lauert immer wieder neuen Gegnern auf. So wie er es mit seiner Plakatkunst getan hat – etwa mit „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“ oder „Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält“.

Es geht zurück nach Heidelberg, in die Provinz. Einen echten Koffer, sagt Klaus Staeck, lässt er nicht in Berlin zurück. Er bleibt dem Pariser Platz natürlich als Akademiemitglied erhalten, und seinen Mund wird er sich niemals verbieten lassen. „Für ihn sind Kunst und Politik und Politik und Kunst untrennbar miteinander verbunden“, würdigt Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator Staecks Zeit. „Und ich bin sicher, dass er sich auch nach seinem Abschied von der Akademiespitze pointiert zu Wort melden wird.“

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