Klagerechte für Umweltverbände: Verstoß gegen Völkerrecht
Der Bundestag debattiert ein Gesetz über Klagerechte in Umweltfragen. Der Entwurf erfüllt die internationalen Vorgaben abermals nicht.
Fast 20 Jahre ist die Unterzeichnung des ersten völkerrechtlichen Vertrags her, der Zugang zu Recht und Information in Umweltfragen garantiert. Die Aarhus-Konvention sieht vor, dass betroffene Bürger*innen und Umweltvereinigungen jeden Umweltrechtsverstoß gerichtlich verfolgen können – ob in gesetzlichen Regelungen, behördlich genehmigten Bauvorhaben oder Produktzulassungen. 47 Staaten, darunter die EU und ihre Mitgliedsländer, haben den Vertrag ratifiziert. Doch mit der Umsetzung hapert es hierzulande.
Der Europäische Gerichtshof (EuGh) hatte 2015 geurteilt, dass das aktuell geltende UmwRG gegen EU-Recht verstößt. Das kritisierte Gesetz schließt Argumente, die in einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht wurden, vor Gericht aus. Die heute debattierte Gesetzesnovelle wird dies ändern. Der Bundesverband der deutschen Industrie ist darüber gar nicht erfreut: „Das Gesetz ist investitionsunfreundlich“, sagt Oliver Schollmeyer. Wenn auch Einwendungen im Gerichtsverfahren erhoben werden dürfen, die vorher nicht auf dem Tisch lagen, führe dies zu größerer Rechtsunsicherheit.
Mit dieser Änderung im UmwRG wolle man dem EuGh gerecht werden, sagt Rechtsexperte Remo Klinger. Doch auch das UN-Komitee, das die Einhaltung der Konvention überprüft, hatte das UmwRG bereits 2014 gerügt – und Deutschland damit erstmals einen Völkerrechtsverstoß im Umweltbereich vorgeworfen. In einem Zwischenbericht habe das Komitee nun klargestellt, dass auch die Novelle des UmwRG die rechtlichen Verpflichtungen nicht erfülle, so Klinger. Denn der neue Entwurf sehe nach wie vor unzählige Ausnahmen vor – etwa im Produktbereich. Gegen Produkte, die gegen Umweltauflagen verstoßen, können Umweltverbände nach wie vor nicht klagen.
„Man ist peinlich berührt“
Andere Bereiche, zum Beispiel die Verkehrswegeplanung auf Bundesebene oder die Festlegung von Flugrouten, blieben im UmwRG ebenfalls außen vor. Letztere seien Rechtsverordnungen – und die fallen in der Novelle gänzlich durchs Raster. Das sei unzulässig, sagt Anwalt Klinger. Bei der öffentlichen Anhörung im Bundestag äußerte er als Sachverständiger: „Man ist eher peinlich berührt darüber, dass es nach den vielen Jahren immer noch nicht gelungen ist, einen Entwurf vorzulegen, der den übergeordneten rechtlichen Verpflichtungen entspricht.“
Auch Hubertus Zdebel, Obmann der Linken im Umweltausschuss des Bundestags, kritisiert die Vorgehensweise der Bundesregierung. Monatelang haben SPD und CDU/CSU die Überarbeitung des UmwRG vor sich hergeschoben, beklagt Zdebel. „Ganz offensichtlich ist es das Ziel, im Interesse der Industrie das Klagerecht von Umweltorganisationen so weit wie möglich zu behindern – auch gegen verpflichtende Bestimmungen“, so Zdebel. Er weist darauf hin, dass auch gegen Pläne, die Flächen für den Rohstoffabbau ausweisen, nicht geklagt werden kann.
CDU/CSU und SPD scheinen um die problematischen Ausnahmen zu wissen. So haben beide Fraktionen im Bundestag einen Antrag eingebracht, der die Bundesregierung auffordert, „in der kommenden Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur vollständigen Integration der naturschutzrechtlichen Verbandsklage vorzulegen“. Dies „soll ohne inhaltliche Abstriche erfolgen“, heißt es in dem Antrag.
„Die Koalition betreibt Opposition in der Regierung“
So bleibe die Novelle europa- und völkerrechtswidrig, sagt Peter Meiwald, umweltpolitischer Sprecher der Grünen. Dass die Regierungsparteien die kommende Regierung auffordere, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, sei absurd. „Die Koalition betreibt Opposition in der Regierung“, so Meiwald.
Unklar ist, inwiefern die EU Druck auf Deutschland ausübt, damit die Aarhus-Konvention vollständig umgesetzt wird. „Wir wissen, dass die Kommission mit den Staaten, die die Konvention nicht einhalten, verhandelt“, sagt Anne Friel von der Umwelt-NGO Client-Earth. „Aber sie weigern sich, uns darüber Auskunft zu geben“, sagt die Anwältin.
Tatsächlich verstößt die EU selbst gegen die Aarhus-Konvention. Zu diesem Befund kam das Komitee, das die Einhaltung überprüft, im März. So sei es Bürger*innen und Umwelt-NGOs nicht möglich, gegen EU-Entscheidungen in Umweltfragen vor den EuGH zu gehen.
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