Klagen gegen Ceta und TTIP: Weckruf für das Verfassungsgericht
Schon 231 Bürger haben Verfassungsbeschwerde gegen die geplanten Freihandelsabkommen eingereicht. Für „Mehr Demokratie“ sind die Klagen „verfrüht“.
KARLSRUHE taz | Der Widerstand gegen die geplanten EU-Freihandelsabkommen Ceta (mit Kanada) und TTIP (mit den USA) wird auch zu einem juristischen Konflikt werden. Beim Bundesverfassungsgericht liegen bereits 231 Verfassungsbeschwerden gegen die „drohende Zustimmung der Bundesregierung“ zu den Verträgen vor.
Die Verfassungsbeschwerden haben alle den gleichen Text. Sie stammen nicht vom „Stop TTIP“-Bündnis oder einer anderen Organisation. Formuliert hat sie vielmehr Marianne Grimmenstein, eine Musiklehrerin aus Lüdenscheid, mit der Hilfe eines Ökonomen und eines Juristen. Grimmenstein hat den Klagetext seit August massiv im Netz beworben, so dass man bereits von einer Massen-Verfassungsbeschwerde sprechen kann.
Hunderte weitere Personen haben diese Verfassungsbeschwerde per E-Mail eingereicht oder sind ihr „beigetreten“. Beides ist unzulässig. Eine Verfassungsbeschwerde muss auf Papier und im eigenen Namen (mit Unterschrift) an das Gericht gesandt werden. Grimmenstein freut sich aber auch über die unzulässige Unterstützung. „Mit dieser Masse haben wir sicher das Verfassungsgericht aufgeweckt“, sagte sie der taz. Inhaltlich rügt die zehnseitige Klage vor allem die geplanten Investitionsschutz- und Schiedsgerichtsklauseln in Ceta und TTIP. Diese verstießen gegen das Demokratieprinzip, das Gleichheitsgebot, die Menschenwürde und andere Verfassungswerte.
Der Verein „Mehr Demokratie“, der das „Stop TTIP“-Bündnis mitträgt, hält die Verfassungsbeschwerden für „verfrüht“, sagte Vorstandssprecher Michael Efler. Bei Ceta sei der Text zwar seit Ende September bekannt, doch könne es noch zu Nachverhandlungen kommen – wie sie etwa die Bundesregierung fordere. Und bei TTIP liege noch gar kein ausverhandelter Text vor.
„Mehr Demokratie“ will auch erst die politischen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor eventuell geklagt wird. Derzeit sammelt das Bündnis „Stop TTIP“ Unterschriften für eine Europäische Bürgerinitiative, die sich an die EU-Gremien wendet. Binnen weniger Tage kamen schon mehr als 559.000 Signaturen aus ganz Europa zusammen. Die EU-Kommission hat die Initiative allerdings für unzulässig erklärte. Dagegen solle Ende Oktober eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht werden.
Grundsätzlich zulässig
Grundsätzlich sind Verfassungsbeschwerden gegen die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen möglich. Solche Klagen können sogar eingereicht werden, bevor der Vertrag zustande kommt. Das Bundesverfassungsgericht könnte also eine schwer zu lösende vertragliche Bindung an einen verfassungswidrigen Vertrag verhindern.
Bei Ceta und TTIP ist aber noch unklar, wann der richtige Moment für eine Klage ist. Wenn die Abkommen ausschließlich von der EU unterzeichnet werden, dann müsste Karlsruhe vor der deutschen Zustimmung im EU-Ministerrat prüfen und entscheiden. Mit der Beschlussfassung im Ministerrat wird bei Ceta derzeit für den Sommer 2015 gerechnet. Das rund 1.500 Seiten dicke Abkommen wird noch juristisch geprüft und übersetzt. Sollte anschließend aber auch noch eine Ratifizierung in den 28 nationalen Parlamenten der EU-Staaten erforderlich sein, dann ist deutlich mehr Zeit.
Die EU-Kommission geht derzeit davon aus, dass die Beschlussfassung im Rat und im EU-Parlament genügt. Ein Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums stuft Ceta jedoch als „gemischtes Abkommen“ ein. Nicht zuletzt wegen der Investitionsschutzregeln genüge die Kompetenz der EU für Handelsverträge hier nicht, meint der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer. Deshalb müsse auch das deutsche Parlament ratifizieren.
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