Klage wegen Länderfinanzausgleich: Bayern und Hessen gegen den Rest
Mit der Klagen beim Bundesverfassungsgericht wollen die Länder die umstrittene Ausgleichszahlung reformieren. Das sei Wahlkampfgetöse, sagt die Opposition.
MÜNCHEN taz/dpa | Die Schuldigen sind schnell ausgemacht. „Verhandeln Sie mal mit Hannelore Kraft“, sagt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und lächelt wissend, „dann werden sie das besser verstehen.“ Seit langem üben die die drei Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen Kritik am Länderfinanzausgleich. Bayern und Hessen drohten immer wieder damit, gegen das finanzielle Ausgleichssystem zwischen den Bundesländern vor Gericht zu ziehen.
Am Montag – ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern – haben sie nun gemeinsam Klage eingereicht. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüfen, ob der Länderfinanzausgleich in seiner derzeitigen Ausgestaltung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), beteiligt sich nicht an der Klage, obwohl auch Baden-Württemberg zu den Geberländern gehört. Aus Solidarität mit der SPD, wie Seehofer sagt: „Kretschmann würde auch klagen, wenn er nicht diesen Koalitionspartner hätte“, so der Bayerische Ministerpräsident am Montag bei einem Pressegespräch in der Münchner Staatskanzlei.
Seit 2011 hätten sich die MinisterpräisdentInnen immer wieder in informellen Kamingesprächen getroffen, um über eine mögliche Neuregelung der Ausgleichszahlungen zu beraten, berichtet Seehofer bei Weißwurst, Brezen und süßem Senf. Die Gespräche brachten keine Einigung. Vor allem bei den SPD-geführten Bundesländern sei eine „Gesprächsblockade“ zu spüren gewesen. „Ist ja auch logisch“, so Seehofer. „Die sagen: Warum sollen wir mit Euch über etwas verhandeln, das bis 2019 vertraglich geregelt ist.“
„Akt politischer Notwehr“
Nun haben sich die Regierungschefs von Bayern und Hessen nicht nur auf gemeinsame juristische Schritte, sondern auch auf eine Sprachregelung geeinigt. Die Klage sei ein „Akt politischer Notwehr“, so Seehofer und Volker Bouffier (CDU) unisono in München und Wiesbaden. Das gegenwärtige System sei unsolide, ungerecht und leistungsfeindlich und müsse reformiert werden.
Im Jahr 2012 wurden insgesamt 7,9 Milliarden Euro umverteilt. Davon zahlte Bayern etwa die Hälfte und Hessen rund 1,3 Milliarden. Berlin war mit 3,3 Milliarden der größte Empfänger. Ein Land hat dann Anspruch auf Zahlungen, wenn seine Finanzkraft je Einwohner unter dem Durchschnitt liegt. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gerät ihre wirtschaftliche Stärke dabei zum Nachteil. Die gestiegenen Steuereinnahmen in den drei Ländern haben den Schnitt so weit angehoben, dass nunmehr 13 Länder unter den Durchschnitt fallen.
Konkret halten Bayern und Hessen unter anderem die geltende Stadtstaatenregelung für verfassungswidrig. Dabei werden die Einwohner von Berlin, Hamburg und Bremen stärker gewichtet, als die Einwohner von anderen Großstädten wie München oder Frankfurt. Auch sei es nicht Aufgabe der Bundesländer, die Hauptstadtfunktion und die damit anfallenden Kosten Berlins zu finanzieren, so Seehofer.
Geringere Ausgleichszahlungen
Vor allem aber beklagen Bayern und Hessen fehlende Leistungsanreize. „Wer sich anstrengt, muss auch etwas davon haben“, sagte Bouffier in Wiesbaden. Die Nehmerländer hätte keinerlei Interesse daran, sich wirtschaftlich zu verbessern, bekräftigte auch Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), wenn sie fürchten müssten, bei steigender Wirtschaftskraft geringere Ausgleichszahlungen zu erhalten.
Die Opposition hält die Klage für Wahlkampfgetöse, weil das geltende System ohnehin bis 2019 neu geregelt werden müsse und die Klage deshalb zeitlich keine Änderung bringe. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) schloss aber nicht aus, dass das Bundesverfassungsgericht sofort „eine klare Entscheidung“ trifft, statt die Länder erneut zu Verhandlungen aufzufordern. Bouffier sagte, er rechne mit einer Entscheidung in rund zwei Jahren. Sowohl in Bayern als auch in Hessen sind im September Landtagswahlen.
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