Klage gegen Fake-News-Vorwurf: Alles Lüge
Fake News sind ideal, um vermeintliche Gegner*innen zu diskreditieren – auch in Österreich. Doch ein Journalist klagt nun.
Die Verbindungen von Trump zu Russland? Fake News! Die New York Times? Fake News! Und Versager! Das Blatt sollte mal jemand kaufen, der es entweder zum Laufen bringt oder mit Würde untergehen lässt.
Willkommen in der Welt des Donald John Trump. Wo andere den wütenden Smiley anklicken oder – die Älteren werden sich erinnern – in einer Mitteilung „auf das Schärfste widersprachen“, brüllt Trump „Fake News!“. Seit seinem Amtseid hat er Dutzende Male über seinen privaten Twitteraccount ganze Medien oder deren Berichterstattung als „fake“ bezeichnet.
Damit zeigt er, was aus Fake News geworden ist: ein Kampfbegriff, der vermeintliche Gegner*innen diskreditiert. Auch das russische Außenministerium nutzt ihn, um einzelnen Artikeln – etwa von der Deutschen Welle oder CNN – den Stempel „Fake“ aufzudrücken.
Man kann diese Fake-News-Brüllerei natürlich abtun: Ist halt Quatsch, kann man sagen, alles halb so wild. Oder dass es mehr über den aussagt, der es kreischt, als über den, der die Nachricht geschrieben hat. Doch ist das der richtige Weg?
2. Juni 1967: Ein Schuss tötet den Demonstranten Benno Ohnesorg. Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über Gegenöffentlichkeit, über die Medien, über Wahrheit und Lüge, oder, wie man heute formulieren würde, über Fake News und alternative Fakten, über Verschwörungstheorien, bürgerliche Zeitungen und alternative (auch rechte) Blätter, über die „Wahrheit“ und die Deutungshoheit gesellschaftlicher Entwicklungen. Nachdenken über 50 Jahre Gegenöffentlichkeit: taz.gegen den stromDie Sonderausgabe taz.gegen den strom – jetzt im taz Shop und auf www.taz.de/gegenoeffentlichkeit
Für Florian Klenk nicht. Klenk, 43 Jahre alt, ist Chefredakteur des Wiener Nachrichtenmagazins Falter. Klenk hat viel ausgegraben, viele Preise gewonnen, sich viele Feinde gemacht. Das Wochenmagazin Der Freitag nannte ihn den „schärfsten Enthüllungsjournalisten Österreichs“. Und in dieser Funktion hat er Anfang 2017 einen Artikel über Erwin Pröll veröffentlicht: „Geheimsache Pröll“, stand in der Überschrift. Darunter: „Erwin Pröll lässt sich vom Steuerzahler seine Erwin-Pröll-Privatstiftung subventionieren.“ Klenk zitiert aus geheimen Regierungsdokumenten, nach denen die Niederösterreichische Landesregierung Prölls privater Stiftung über neun Jahre 1,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt habe. 300.000 Euro sollen von der Stiftung abgerufen worden sein.
Ein handfester Skandal. Denn Pröll ist nicht irgendwer. Er war, als der Artikel erschien, Chef ebenjener Regierung, die seiner Stiftung die Gelder bewilligte. Er war Landeshauptmann von Niederösterreich. Fast 25 Jahre lang: vom 22. Oktober 1992 bis zum 19. April 2017.Elf Jahre lang als Landeshauptmann-Stellvertreter. Der Politiker der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) hat so viele Orden bekommen, ist in so vielen Orten Ehrenbürger, der lässt sich solch einen Bericht nicht gefallen.
Pröll und die ÖVP hatten und haben nun einen Feind: Florian Klenk. Und was macht man mit Feind*innen? Genau, man schwingt die Fake-News-Keule.
Die Strategie ist durchschaubar, aber womöglich effektiv, siehe Trump: Zum einen kommt der mit den Fake-News-Vorwürfen wohl gut an bei den eigenen Anhänger*innen, die zwar Großbesitzer*innen als welche von ihnen betrachten, Journalist*innen aber als Teil des verhassten Establishments.
„Fake News“ heißt „Gefahr!“
Zum anderen nutzt er den Begriff, der wie kein anderer zum Synonym für Gefahr aus dem Netz geworden ist. Warum sonst sollten all die seriösen Medien spezielle Fake-News-Einheiten gründen, oder die Bundesregierung über eine Art Fake-News-Aufsichtstruppe nachdenken, wenn das nicht etwas ganz Gefährliches ist? Trump und Co. hilft es, dass mittlerweile in jedes Hirn gemartert wurde, dass Fake News schlimm sind. Damit schließen sie die eigenen Reihen, nutzen Ängste aus, watschen Gegner*innen ab.
Also schickt die Volkspartei Niederösterreich (VPNÖ), der Bundesland-Ableger der ÖVP, eine Pressemitteilung raus: „Ebner zu Falter-Fake-News: Innenminister Sobotka hat Recht.“
Bernhard Ebner ist Landesgeschäftsführer der VPNÖ. Er sagt: „Innenminister Sobotka hat mit seiner Aussage Recht, dass es sich im Fall der Dr. Erwin Pröll Privatstiftung um Falter-Fake-News handelt.“ Und: „Darüber hinaus lügt Dr. Klenk in Bezug auf den Pröll-Sprecher. Denn dieser hat im Gegensatz zu Aussagen von Dr. Klenk immer darauf hingewiesen, dass die Geschichte nicht neu und allen bekannt ist.“
Diesen Vorwurf will sich Klenk nicht gefallen lassen. Er hat Klage eingereicht gegen Bernhard Ebner und die VPNÖ. In der Klageschrift heißt es: „Der Erstbeklagte behauptet in dieser bis heute allgemein zugänglichen Aussendung, dass der Kläger gefälschte Nachrichten (‚fake news‘) verbreite und überdies wissentlich die Unwahrheit verbreite (‚lüge‘). Es bedarf keiner weitwendigen Ausführungen, dass die Behauptung des Erstbeklagten über den Kläger ehrenrührig und kreditschädigend ist (§ 1330 Abs. 1 ABGB).“
Warum macht Klenk das? „Weil ein Journalist, dem man vorwirft, gefälschte Nachrichten zu verbreiten, sich wehren muss“, sagt er. „Würde ich einem Juwelier vorwerfen, dass er gefälschte Diamanten verkaufe, würde er mich wohl auch verklagen. Zu Recht.“ Für ihn ist der Vorwurf, Fake News zu fabrizieren, noch schlimmer als der Vorwurf, zu lügen. „Die Lüge ist ein Charaktervorwurf“, sagt Klenk. Schlimm genug. Aber das mit den Fake News, das sei auch noch „ein Betrugsvorwurf“.
Denn genau dort liegt für ihn der Unterschied. Wer lüge, verbreite einfach die Unwahrheit. Ohne Beleg. Doch wer Fake News verbreite, der vermische die Lüge mit gefälschten Belegen und kleide sie in das Gewand einer seriösen Nachricht.
Klenk findet, dass der Begriff Fake News zu einem Kampfbegriff geworden ist. „Es ist der cooler klingende Lügenpresse-Vorwurf“, sagt Klenk, „nicht im AfD-Pegida-Gewand, sondern irgendwie amerikanisch.“
Klenk will nun vor Gericht feststellen lassen, dass der cool klingende Begriff eine Tatsachenbehauptung ist, dass also der, der dem Journalisten Fake News vorwirft, Beweise dafür vorbringen muss. Oder ist der Fake-News-Vorwurf nur eine Meinung und deswegen von der Meinungsfreiheit gedeckt? „Das ist nicht ausjustiziert“, sagt Florian Klenk.
Jahrgang 1985, seit drei Jahren Ressortleiter bei taz2 Medien. Er hat in Leipzig Journalistik studiert und war Volontär an der Axel-Springer-Akademie.
Ein Gericht könnte feststellen, dass nicht jede unliebsame Meinung oder Recherche „Fake News“ ist, sondern dass dieser Vorwurf mehr beinhaltet: eine bewusst gefälschte Nachricht mit gefälschten Belegen im seriösen Gewand – und dass, wer diesen Vorwurf erhebt, ihn womöglich vor Gericht beweisen muss.
Denn wie es in der Klageschrift von Klenks Anwalt heißt: „Es gibt gegen einen Journalisten keinen schlimmeren Vorwurf als die Behauptung, er habe gefälschte Nachrichten verbreitet und er behaupte wissentlich die Unwahrheit.“
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