Klage gegen CDU-Wirtschaftsrat: Lobbyverband bleibt im CDU-Vorstand
Ein CDUler wollte den „Wirtschaftsrat der CDU“ aus dem Bundesvorstand raus haben. Erfolglos. Der mächtige Lobbyist darf weiter Parteipolitik machen.
Am Rand steht Luke Neite und gibt Interviews. Neite ist CDU-Mitglied aus Leipzig, ab zehn Uhr wird in Saal 109 über seine Klage gegen die eigene Partei verhandelt. „Ich mache mir Sorgen um die Demokratie“, sagt Neite der taz. „Wenn ein Lobbyverband im CDU-Vorstand sitzt, ist das Klientelpolitik. Das schadet der Demokratie.“
Es geht um den „Wirtschaftsrat der CDU“, einen Verein, der etwa 12.000 Unternehmer*innen vertritt und sich selbst „Stimme der sozialen Marktwirtschaft“ nennt. Anders als der Name suggeriert, ist der Wirtschaftsrat keine Parteiorganisation. Präsidentin Astrid Hamker aber gehört qua Amt dem CDU-Bundesvorstand als ständiger Gast an. Sie nimmt an dessen Sitzungen teil, hat zwar kein Stimm-, aber Rederecht – und kann die Partei so direkt beeinflussen. Zu Merz hat Hamker ohnehin einen guten Draht. Bevor dieser Parteichef wurde, war er Vizepräsident des Wirtschaftsrats, also Hamkers Stellvertreter.
Aus Sicht der NGO Lobbycontrol ist Hamkers Sitz im Wirtschaftsrat nicht zulässig. Die NGO hat schon vor zwei Jahren dazu ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Das Ergebnis: Der Dauergaststatus sei rechtswidrig. Lobbycontrol machte öffentlich Druck, doch der führte zu nichts. Anders als die FDP, die den „Liberalen Mittelstand“ aus ihrem Parteivorstand verbannte, bliebt die CDU hart.
So wird das seit Jahrzehnten gemacht
Da Lobbycontrol selbst nicht klageberechtigt ist, begann die NGO Neite zu unterstützen – auch mit der kleinen Protestaktion vor dem Landgericht. Neite klagte erst vor dem Schiedsgericht der Partei. Das wies die Klage aus formalen Gründen zwar ab, bezeichnete ihren sachlichen Inhalt aber als „vertretbare Rechtsauffassung“. Deshalb zog Neite vor das Berliner Landgericht.
In Saal 109 aber macht Richterin Linn Dahms am Freitagmorgen schnell klar, dass sie Neites Klage kritisch sieht. Auf den Inhalt der Klage geht sie dabei nicht ein. Ihr geht um die Frage, ob Neite als einfaches Parteimitglied überhaupt gegen einen Beschluss des CDU-Bundesvorstands klagen kann. Dieser hat nach seiner Wahl beschlossen, dass die Präsidentin des Wirtschaftsrats als ständiger Gast berufen wird. So wird das in der CDU seit Jahrzehnten gehandhabt.
Neites Anwalt Gunter von Mirbach, der selbst ebenfalls CDU-Mitglied ist, argumentiert, dass sein Mandant den Anspruch haben dürfe, dass der CDU-Bundesvorstand rechtmäßig agiert. Doch das tue dieser eben nicht. Der Wirtschaftsrat sei keine Parteiorganisation, sondern ein Lobbyverband, Hamkers Sitz im CDU-Bundesvorstand durch nichts legitimiert. Dagegen müsse Neite sich doch mit einer Klage zur Wehr setzen können. „Was soll er denn sonst tun?“, fragt von Mirbach die Richterin. Doch überzeugen kann er sie nicht. Nachdem der Anwalt der CDU gesprochen und sie sich kurz zurückgezogen hat, verkündet Richterin Dahms ihr Urteil. Sie lehnt die Klage ab. Neite fehle die „Prozessführungsbefugnis“, so heißt das im Juristendeutsch.
Neite erwägt, in Berufung zu gehen
Nach Ende der Sitzung sind die Anwälte der CDU zufrieden, Neite äußert sich enttäuscht. Er müsse nun überlegen, ob er in Berufung gehe. Vielleicht bemühe man sich auch darum, einen Delegierten für den nächsten CDU-Bundesparteitag zu finden, der das Thema dort anspreche. „Aber so große Hoffnung mache ich mir da nicht, nach allem, was wir bislang gehört haben“, sagt Neite. „Die Leute trauen sich nicht, sich gegen den Vorstand zu wenden.
Lobbycontrol fordert trotz des Urteils noch im Gerichtssaal Konsequenzen der CDU. „Es liegt nun weiterhin an Parteichef Friedrich Merz, seinen Parteivorstand endlich rechtskonform aufzustellen“, sagt Christina Deckwirth, die Sprecherin der NGO. „Eine Partei, die Regierungsverantwortung anstrebt, sollte sich dringend an das Parteiengesetz halten. Es bleibt undemokratisch, einem mächtigen Lobbyverband dauerhaft Mitspracherecht zu bieten.“
Konzerne wie Amazon, Coca-Cola oder Deutsche Bank sponsern den Wirtschaftsrat, sagt Deckwirth weiter. „Mit Lobbyausgaben in Höhe von über fünf Millionen Euro zählt der Verein zu den größten Lobbyverbänden in Deutschland.“ Doch trotz seiner übergroßen Nähe zur CDU müsse der Wirtschaftsrat seine Finanzierung nicht offenlegen. Damit sei der Wirtschaftsrat ein Einfallstor für intransparente Geldflüsse im Umfeld der Partei. „Das ist gerade jetzt im Wahlkampf höchst problematisch.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
HTS als Terrorvereinigung
Verhaftung von Abu Mohammad al-Jolani?