Klage gegen BKA-Gesetz: "Gefühl des Ausgeliefertseins"

FDP-Politiker Baum hat schon mehrfach in Karlsruhe Erfolg gehabt. Auch seine neue Verfassungsbeschwerde deckt schonungslos Schwachstellen in einem neuen Sicherheitsgesetz auf.

Lässt nicht locker in Sachen BKA-Gesetz: Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) Bild: dpa

FREIBURG taz Der Alt-Liberale Gerhart Baum steht vor einem erneuten Erfolg beim Bundesverfassungsgericht. Seine Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz dürfte die Karlsruher zumindest teilweise überzeugen.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Reform des BKA-Gesetzes, die Anfang des Jahres in Kraft trat. Dabei erhielt das Bundeskriminalamt erstmals Befugnisse zur Gefahrenabwehr, die allerdings auf den internationalen Terrorismus beschränkt sind. Umstrittenster Punkt war die heimliche Ausspähung von Computern, die so genannte Online-Durchsuchung.

Die Verfassungsbeschwerde wurde von drei Rechtsanwälten eingereicht. Neben Baum ist auch der FDP-Rechtspolitiker Burkhard Hirsch mit dabei. Die Hauptarbeit hat aber der Berliner Rechtsanwalt Peter Schantz, ein Neffe von Baum, geleistet. Sein Schriftsatz ist von beeindruckender Präzision und Argumentationsstärke.

Die Beschwerde wurde auch im Namen prominenter Ärzte und Journalisten eingereicht, um deren spezifische Berufsrechte thematisieren zu können. Mitkläger sind unter anderem Zeit-Herausgeber Michael Naumann und der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. Unterstützt wird die Klage vom Deutschen Journalistenverband.

Baum und Co. rügen in ihrem 54-seitigen Schriftsatz nicht weniger als 41 Punkte der BKA-Novelle. Die acht wichtigsten Rügen werden hier vorgestellt und ihre Erfolgschancen eingeschätzt. Demnach dürfte die Klage an mehreren Punkten Erfolg haben, die Grundsturkturen der Reform dürften am Ende aber bestehen bleiben.

Rüge: Für den Spähangriff in Wohnungen sind höhere Anforderungen erforderlich. Begründung: Laut § 20h BKA-Gesetz darf die Polizei in Wohnungen nicht nur Wanzen, sondern auch Kameras installieren, um Terroranschläge zu verhindern. Dabei werden für akustische und optische Maßnahmen die gleichen Voraussetzungen verlangt. Die Kläger verlangen, dass die Anforderungen für Spähangriffe strenger sein müssen. "Jeder kann leicht die Verletzung der Vertraulichkeit, seines Schamgefühls und des Gefühls des Ausgeliefertsein nachempfinden, wenn er sich vorstellt, beim Ankleiden, im Badezimmer oder bei sexuellen Handlungen beobachtet zu werden", heißt es in der Klage.

Prognose: Das Bundesverfassungsgericht hat bisher keine Anforderungen für Spähangriffe in Wohnungen aufgestellt. Gut möglich, dass die Richter hier besonders hohe Voraussetzungen verlangen und Spähangriffe zum Beispiel nur zulassen, wenn ein Lauschangriff nicht genügt.

Rüge: Beim Spähangriff ist der Schutz des privaten Kernbereichs nicht ausreichend gewährleistet. Begründung: Die Maßnahme hat laut § 20h BKA-Gesetz zu unterbleiben, wenn "Äußerungen" aus dem privaten Kernbereich erfasst werden. Der Begriff "Äußerungen" passt aber nur auf die akustische Überwachung.

Prognose: Hier wird Karlsruhe voraussichtlich eine Nachbesserung fordern. Auch intime Handlungen müssen vor Überwachung geschützt werden.

Rüge: Es ist unverhältnismäßig, wenn jede Wohnung, die ein Gefährder betritt, akustisch und optisch überwacht werden darf. Begründung: Laut § 20h BKA-Gesetz dürfen nicht nur Wohnungen des Gefährders und seiner (eng definierten) Begleit- und Kontaktpersonen überwacht werden, sondern auch die Wohnungen von Unbeteiligten, wenn zu erwarten ist, dass sich der Gefährder dort aufhält.

Prognose: Hier wird Karlsruhe wohl nicht einschreiten. Eine ähnliche Regelung in der Strafprozessordnung hat das Gericht 2007 nicht beanstandet.

Rüge: Bei der Online-Durchsuchung müssen Einbrüche zur Installierung von Spionagesoftware auf dem Computer eines Gefährders explizit verboten werden. Begründung: Im Rahmen der politischen Verhandlungen zum BKA-Gesetz hatte Justizministerin Zypries (SPD) zwar erreicht, dass das BKA in diesem Zusammenhang keine ausdrückliche Befugnis zum heimlichen Einbruch erhält, ausdrücklich verboten wurde dies aber auch nicht.

Prognose: Karlsruhe wird kein ausdrückliches Einbruchsverbot fordern, weil ein Eingriff dieser Tragweite ohne explizite Ermächtigung gar nicht möglich ist. Diese Klarstellung wäre aber auch hilfreich.

Rüge: Private Computer dürfen nicht heimlich ausgeforscht werden. Begründung: Laut § 20k BKA-Gesetz sind Online-Durchsuchungen nur ausgeschlossen, wenn dabei "allein" Informationen aus dem privaten Kernbereich erfasst würden. Die Kläger wollen diese Regelung umdrehen: immer wenn es Anzeichen gibt, dass auch Informationen aus dem privaten Kernbereich erfasst würden, soll die Online-Durchsuchung verboten sein.

Prognose: Die Beschwerde wird hier keinen Erfolg haben, denn Karlsruhe hat in seinem Urteil von 2006 zur Online-Durchsuchung in NRW akzeptiert, dass zunächst einmal alle Inhalte eines privaten Computers auf staatliche Rechner kopiert werden und dort erst in einer zweiten Stufe die rein privaten Inhalte gelöscht werden.

Rüge: Die Prüfung der kopierten Computerinhalte darf nur ein Richter durchführen. Begründung: Laut § 20k BKA-Gesetz werden die bei der Online-Durchsuchung kopierten Dateien von zwei BKA-Beamten und dem BKA-Datenschutzbeauftragten unter der Sachleitung eines Gerichts auf Kernbereichsrelevanz geprüft. Dabei würden die BKA-Beamten, auch wenn sie private Inhalte löschen, doch von diesen erfahren und könnten dieses Wissen für neue Ermittlungsansätze nutzen.

Prognose: Die Rüge sollte Erfolg haben. Das Bundesverfassungsgericht hat 2006 für die Genehmigung von Online-Durchsuchungen zwar nicht zwingend einen Richter verlangt, sondern auch andere neutrale und uanbhängige Stellen zugelassen. BKA-Beamte sind aber weder unabhängig noch neutral, sie dürfen selbst dann nicht an der Kernbereichsprüfung beteiligt werden, wenn andere das letzte Wort haben.

Rüge: Bei langfristigen Observationen wird der private Kernbereich nicht geschützt. Begründung: In § 20g fehlt eine Regelung zum Schutz des privaten Kernbereichs, obwohl bei tage- und wochenlanger Beobachtung sicher auch private Situationen erfasst werden können. Das gleiche gilt für die Überwachung mittels Mikrofonen und Kameras außerhalb der Wohnung.

Prognose: Wenn diese Rüge Erfolg hat, könnte wohl kaum noch eine Polizeibefugnis ohne Kernbereichs-Regelung eingeführt werden. Da es für klassische Polizeibefugnisse wie Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung auch keinen expliziten Kernbereichsschutz gibt, wird Karlsruhe wohl nur verlangen, dass die Privatsphäre von der Polizei auch ohne ausdrückliche gesetzliche Vorgabe zu achten ist.

Rüge: Die Berufsgeheimnisse von Ärzten, Psychologen, Rechtsanwälten und Journalisten werden nicht genügend geschützt. Begründung: Heimliche Ermittlungsmaßnahmen sind nur gegen Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete generell verboten. Bei anderen Berufsgruppen muss laut § 20u nur eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden. Das halten die Kläger für falsch, weil Ärzte, Psychologen und Anwälte heute "quasi-seelsorgerische" Aufgaben wahrnehmen. Dass muslimische Geistliche nicht geschützt werden, weil sie keiner staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft angehören, sei nicht zu rechtfertigen.

Prognose: Diese Rüge wird teilweise Erfolg haben. Schon 2004 hat Karlsruhe festgestellt, dass Gespräche mit Ärzten zum privaten Kernbereich gehören können. Bei Gesprächen mit Psychotherapeuten ist dies noch offensichtlicher, weil hier die absolute Offenheit notwendig für den Therapieerfolg ist. Auch Gespräche mit Anwälten im Familienrecht betreffen häufig den privaten Kernbereich. Bei Kontakten mit Journalisten ist der private Kernbereich dagegen in der Regel nicht berührt. Hier geht es eher um den informantenschutz, doch dieser muss bei Gesprächen mit Kriminellen hinter den Interessen der Sicherheitsbehörden zurückstehen. Das hat Karlsruhe schon 2004 in seiner Entscheidung zur Verkehrsdaten-Kontrolle von Journalisten-Handys entschieden. Die Benachteiligung von Imamen gegenüber christlichen Pfarrern wird durch das BKA-Gesetz zwar nicht eingeführt, aber Karlsruhe könnte die Klage zur Klarstellung nutzen, dass die Organisationsform einer Kirche für den Schutz eines seelsorgerischen Gesprächs völlig irrelevant ist. Allerdings haben die Kläger vergessen, einen Imam als Kläger zu beteiligen.

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