Klage auf Akteneinsicht zur Rigaer 94: Die Polizei mauert
Die Polizei verweigert die Herausgabe eines Durchsuchungsbeschlusses für das Hausprojekt Rigaer 94. Mithilfe von „Frag den Staat“ wird dagegen geklagt.
Noch am Tag des Einsatzes hatte Marco Mauer, Nutzer des Transparenzportals, auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) die Übersendung des Durchsuchungsbeschlusses bei der Polizei beantragt. Seine Klage richtet sich gegen die Ablehnung dieses Gesuchs. Das IFG garantiert den voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen staatlicher Stellen, auch der Polizei.
An dem für die Bewohner:innen und Öffentlichkeit überraschende Einsatz waren 320 Polizist:innen, darunter Spezialeinheiten mit Kletterausrüstung, beteiligt. Ziel war die Feststellung der Identitäten der vermeintlichen Bewohner:innen. Den Durchsuchungsbeschluss hatte die Polizei zuvor beim Amtsgericht Tiergarten beantragt.
Sie berief sich dabei auf das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog), wonach der Schutz privater Rechte der Polizei obliegt, „wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde“. Zuvor hatten die Eigentümervertreter der britischen Briefkastenfirma Lafone Investments Limited um Hilfe gebeten, da es ihnen nicht möglich sei, selbst das Haus zu betreten und die Identitäten der Bewohner:innen festzustellen.
Das Gericht gestatte die Durchsuchung der Wohnungen; unangetastet blieben lediglich vier Wohnungen, deren Mieter:innen der Eigentümerin zuvor namentlich bekannt waren. Nicht gestattet war der Polizei die Suche nach Gegenständen. Laut Rigaer 94-Anwalt Lukas Theune hielten sich die Polizist*innen aber nicht daran. So sei in WG-Ordnern gewühlt worden. Auch zeigten Bilder, dass die Polizei ein – wohl frei verkäufliches – Luftgewehr beschlagnahmt hatte.
Unterschiedliche Ablehnungsgründe
Den Antrag auf Akteneinsicht lehnte die Polizei Anfang April mit den Verweis darauf ab, dass es sich bei dem Durchsuchungsbeschluss um einen Aktenbestandteil des Gerichts handele, sie also nicht zuständig sei.
Nach einem Widerspruch änderte die Polizei ihre Argumentation: Demnach sei im Asog festgehalten, dass die Betroffenen einer Hausdurchsuchung ein Protokoll erhalten und dies der einzige Fall sei, in dem Dokumente herausgegeben werden müssten. „Von der Möglichkeit der Herausgabe des Beschlusses an Nichtbetroffene hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen“, so die Argumentation.
Laut „Frag den Staat“ beziehe sich die Anfrage aber auf den Durchsuchungsbeschluss, nicht auf das Protokoll der Durchsuchung. Damit setzte sie „zwei vollkommen unterschiedliche Dokumente einfach gleich, um so die Herausgabe der Unterlagen zu verweigern“. Rechtsanwältin Anna Gilsbach, die den Kläger vertritt, sagte der taz: „In beiden Fällen hat die Polizei seltsame Gründe herangezogen, die schon auf den ersten Blick nicht sehr überzeugend sind.“ Gespannt ist sie auf die Argumentation der Polizei vor dem Verwaltungsgericht.
Kläger Mauer erwartet nicht, dass durch eine Veröffentlichung „große Geheimnisse aufgedeckt“ würden. Interessant sei jedoch, wie Gericht den Durchsuchungsbeschluss begründe, den die Polizei „als Gefälligkeit“ gegenüber den Eigentümern beantragt hatte. Auch sei es im Normalfall schwierig, an Durchsuchungsbeschlüsse zu kommen, weil diese meist im Rahmen von Strafermittlungen ergehen und dann das IFG nicht greife. In diesem Fall jedoch sei dies möglich, da es sich nur um „Gefahrenabwehr“ gehandelt habe.
Unangetastet von einer Entscheidung in der Sache bleibt, dass die festgestellten Personendaten der Eigentümerin dazu dienen, weiter gegen die Bewohner:innen vorzugehen. Nach der Ermittlung der Daten wurde allen Mieter:innen gekündigt. Vor dem Amtsgericht Kreuzberg sind derzeit 15 Klagen, teils gegen mehrere Personen, anhängig.
Ob diese Aussicht auf Erfolg haben, hängt auch davon ab, ob das Gericht die britischen Briefkastenfirma Lafone Investments Limited überhaupt für rechtsfähig und ihre Anwälte für ordnungsgemäß beauftragt hält. Daran war die Briefkastenfirma bislang immer wieder gescheitert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse