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Kita-Inquisition kommt vor Gericht

■ Darf die Senatsverwaltung Eltern ausfragen, die lediglich die gesetzlich garantierte Kinderbetreuung beanspruchen? Das will eine Mutter jetzt klären lassen

Wer heutzutage sein Kind in einer Kita unterbringen will, muß sich erst einmal inquisitorische Fragen gefallen lassen – aber womöglich nicht mehr lange: Beim Verwaltungsgericht wurde jetzt eine Klage gegen das Ausfüllen des Anmeldeformulars eingereicht. Geklagt hat die Schöneberger Mutter Verena F. gegen das Land Berlin.

Das umstrittene Anmeldeformular ist eine Folge des seit diesem Jahr bundesweit geltenden Rechtsanspruchs auf einen Kita- Platz für Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Aus Angst, den daraus entstehenden Ansprüchen nicht gerecht zu werden, und trotz mehrfach geäußerter Bedenken seitens des Datenschutzbeauftragten entwarf die Jugendverwaltung besagten Fragebogen. Statt, wie beispielsweise in Bremen geschehen, ein unabhängiges Institut damit zu beauftragen, den tatsächlichen Platzbedarf der Kinder zu ermitteln, versucht die Berliner Behörde die Ansprüche der Eltern nach fragwürdigen Kriterien zu sortieren – etwa nach Fragen der Arbeitszeit. Wer also halbtags arbeitet, hat kaum eine Chance, sein Kind ganztags unterzubringen. Aber auch andere Fragen scheinen der Jugendverwaltung ausgesprochen wichtig, zum Beispiel: „Leben Sie in einer Notunterkunft?“, „Haben Sie noch keine abgeschlossene Ausbildung?“ oder „Leben Sie in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen?“ Ebenfalls Pflicht: Angaben zum Arbeitgeber sowie dessen Telefonnummer. „Wenn Sie das Formular nicht vollständig ausfüllen“, so wurde Verena F. vom Bezirksamt beschieden, „können wir Ihnen keine Zusage geben“ – obwohl Verenas Tochter im nächsten Jahr einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz hat.

Hinter dieser Vorgehensweise, so vermuten viele Eltern, steckt Kalkül: Zwar wird in Berlin jedes Kind einen Platz bekommen – fragt sich nur, für wie viele Stunden pro Tag. Nicht, wie im Kita-Gesetz verankert, die „Bedürfnisse der Familie“ – wenn beispielsweise aufgrund schwieriger Familienverhältnisse umfassende pädagogische Betreuung nötig ist –, sondern die Arbeitszeiten der Eltern entscheiden über Ganztags- oder Halbtagsbetreuung. Arbeitslose etwa bekommen für ihr Kind bestenfalls fünf Stunden Betreuungszeit. „Damit versucht der Senat sein traditionelles Ganztagsangebot langsam, aber sicher auf westdeutsches Niveau herunterzudrücken“, vermutet Eberhard Holstein, Elternvertreter in Schöneberg. „Die Leute werden durch den Fragebogen total verunsichert und müssen sich dann mit ein paar Stunden zufriedengeben.“

Die Zahlen sprechen für sich. Eine Auswertung der ersten Fragebogenrunde im Sommer 1996 ergab, daß in Zehlendorf zwar 75 Prozent aller Antragsteller einen Ganztagsplatz für ihr Kind bekommen haben, in Kreuzberg dagegen nur 25 Prozent.

„Es muß doch reichen, wenn ich sage, daß ich einen Platz brauche und für wie lange“, meint Verena F. Ihre Zeit drängt – nach jetziger Verwaltungspraxis muß sie bis spätestens zum 31. Januar das Formular ausgefüllt haben, sonst hat sie im nächsten Jahr keinen Anspruch mehr. Ihr Anwalt hat deshalb beim Verwaltungsgericht Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt. „Das Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung“, so Rechtsanwalt Christoph Paul, „deshalb wollen wir eine mündliche Verhandlung.“ Das Verfahren wird voraussichtlich in der zweiten Januarwoche stattfinden. maz

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