■ Kirch und Bertelsmann einigen sich beim Digital-TV: Eigennützige Rettungsaktion
Noch am Wochenende sah es so aus, als liege das Imperium von Leo Kirch in den letzten Zügen: zu hoch gespielt, verspekuliert, überschuldet. Irgend jemand hatte interne Finanzplanungen des Konzerns an das Managermagazin geschickt. Drei Milliarden Bankschulden und immense laufende Verluste beim Digitalfernsehen DF 1 haben die Kirch-Gruppe an den Rand des Ruins gebracht.
Seit gestern ist der Abgrund wieder ein paar Meter entfernt – dank der tatkräftigen Rettungsaktion von Bertelsmann. Künftig darf Kirch seinen Decoder als einzigen in Deutschland vermarkten, und bei dem Pay-Sender Premiere, der bisher von Bertelsmann beherrscht wurde, soll er gleichberechtigter Partner werden.
Ein fast zwei Jahre währendes Tauziehen ist dieser Einigung vorausgegangen, deren Details auch noch nicht ausgearbeitet sind. Auf den ersten Blick ist zwar nicht zu sehen, an welchen Punkten Bertelsmann eigentlich den angeschlagenen Kirch zum Nachgeben gezwungen hat. Der wird, so beteuern beide bisherigen Konkurrenten, sogar sein DF 1 weiterführen. Doch das dürfte nur eine Inszenierung für die Öffentlichkeit sein – und für die Kartellbehörden in Berlin und Brüssel. Ist deren Genehmigung erst da, dann werden wir kaum so schnell gucken können, wie DF 1 zugemacht wird und beide ihre Kräfte auf Premiere konzentrieren.
Die Hilfsaktion von Bertelsmann ist also vor allem eigennützig. Während der sieggewohnte Leo Kirch ursprünglich das Digitalgeschäft allein beherrschen wollte, glauben die Gütersloher schon lange, daß es in Deutschland nur als Joint-venture auf Dauer profitabel ist. Wenn sich dabei beide Partner auf eine lange Periode milliardenschwerer Anlaufverluste einstellen, kann es klappen – muß es aber nicht einmal. Schließlich sind die Programmressourcen, ob Filme oder Sportrechte, immens teuer geworden. Und in Deutschland sind mit der immer billiger werdenden Satellitenschüssel rund 30 Programme unverschlüsselt zu empfangen.
Die Zuschauer, wollen sie trotzdem noch zusätzliche Kanäle sehen und in paar Jahren dann auch die kommenden interaktiven Anwendungen nutzen, werden dann auch die Folgen des jetzt geschlossenen Monopols zu spüren bekommen. Irgendwann nämlich wollen beide Konzerne ihre riesigen Anlaufverluste wieder hereinholen. Michael Rediske
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