: Kirch droht vergebens
■ Noch mehr Nervosität beim Digital-TV: Kirch stellt der ARD ein Ultimatum, Bertelsmann springt ihm bei - doch die ARD ignoriert's
Leo Kirchs Justitiar Klaus Piette machte aus seinem Ärger keinen Hehl: „Sie werden Verständnis dafür haben“, schrieb er an ARD- Chef Udo Reiter, daß dieser Schwebezustand als „ausgesprochen unbefriedigend“ empfunden wird.
Es geht um die Abmachungen fürs künftige digitale Fernsehen, die das Konglomerat aus Bertelsmann, Kirch und Telekom mit ARD und ZDF geschlossen hatte. Die ARD zögert mit der Unterschrift, Kirch wird darob zunehmend nervös und drängt auf die Signatur (taz vom 7.2.). Ohne diese Abmachungen, soviel gilt als klar, werden die Konzerne von den Brüsseler Kartellwächtern wohl kaum ein O.K. für ihre Pläne kriegen. Und darauf ist Kirch dringendst angewiesen, weil sich mit dem Digitalkartell ein satter dreistelliger Millionentransfer aus Bertelsmanns Kassen verbindet.
Vergangene Woche riß Kirch der Geduldsfaden. Die Vereinbarung sei rechtlich unbedenklich, ließ er seinen Justitiar bündig an Reiter schreiben, die ARD sollte die Verträge bis vergangenen Freitag unterzeichnet zurückschicken: „Andernfalls müssen wir davon ausgehen, daß die ARD nicht an der Vereinbarung festhalten will.“ Nach Ablauf der Frist sei eine Unterschrift nicht mehr möglich. „Für diesen Fall, den wir bedauern würden, müssen wir Sie um die unverzügliche Herausgabe der von den übrigen Parteien unterzeichneten Vertragsexemplare bitten.“ Im Klartext heißt das: Die ARD unterschreibt oder fliegt von der Digital-Plattform.
Die Öffentlich-Rechtlichen zeigten sich unbeeindruckt und ließen die Frist verstreichen: „Ein Ultimatum“, sagte ARD-Sprecher Frank-Thomas Suppé am Freitag, „kann nur von allen Partnern gemeinsam gestellt werden und nicht von einem allein.“
Allerdings sind es mittlerweile schon zwei. Zwar setzte die Telekom in einem eher nichtssagenden Schreiben keine Frist, doch Bertel hält zu Kirch: Ende letzter Woche erreichte die ARD ein Fax von Bertelsmann-Tochter CLT-Ufa, das das Ultimatum untermauerte. „Unsere Geduld neigt sich dem Ende entgegen“, unterstrich CLT- Ufa-Sprecher Matthias Wulff, der freilich vor einer Woche das Abwarten der ARD noch ganz verständlich gefunden hatte.
Wäre die Vereinbarung mit der ARD erst unterschrieben, könnte sie nach Brüssel geschickt werden, damit die Kartellwächter anders als bisher bei den Plänen auch mal ein gutes Zeugnis ausstellen. Eine solche Bestätigung erscheine „in Anbetracht der in der Öffentlichkeit entstandenen Verunsicherung“ sinnvoll, heißt es in dem Kirch-Schreiben. Umgekehrt gilt das gleiche: Kommt die Vereinbarung jetzt nicht zustande, könnte das bei den Kartellwächtern den Eindruck verstärken, die Konzerne gründeten ihren Digitalclub vor allem deshalb, um andere rauszuhalten. Denn dann schlösse die Allianz ganz im Stile eines Kartells tatsächlich einen Sender von der digitalen Zukunft aus. Eines der Beweismittel: Der jüngste Drohbrief an die ARD. Harte Auflagen aus Brüssel aber kann der verschuldete Kirch zur Zeit gar nicht brauchen.
Zu der Einigung kam es Mitte vergangenen Jahres: Kirch hatte bis dahin den d-Box-Decoder mit entwickelt, war aber mit seinem DF1 schmählich gescheitert. Die Lösung: Der bisher von Bertelsmann dominierte, abonnentenstarke Pay-TV-Sender Premiere wird Premiere Digital und gehört je zur Hälfte Bertelsmann und Kirch. Kirchs d-Box wird der technische Standard – vermarktet von der Telekom.
Das ZDF entschloß sich schnell, zu den digitalen Alleinversorgern zu stoßen. Auch die ARD sorgte sich, daß der digitale Fernsehzug ohne sie Richtung Zukunft abfährt. Dennoch verhandelte sie hartnäckig und erreichte im Herbst, daß sie die Fortentwicklung des Decoders mitbestimmen kann.
Seit Mitte Januar liegen die Digital-Verträge nun bei ARD-Chef Reiter. Doch statt zu unterschrei- ben, bat der Leo Kirch, Telekom- Chef Ron Sommer und Rolf Schmidt-Holtz von der CLT-Ufa um eine Lageeinschätzung. Er verwies dazu auf die Bedenken des EU-Wettbewerbskommissars.
Reiter, eigentlich ein alter Be- kannter Leo Kirchs, begründete vergangene Woche nach einer In- tendantensitzng nochmals das Zö- gern. Neben den Bedenken der Wettbewerbshüter wisse man in- zwischen, daß es mit der d-Box mehr „Schwierigkeiten“ gebe, als bisher vermutet.
Bekannt sei auch, daß es unter den Partnern offenbar „doch sehr differenzierte Ansichten über die Zukunftsentwicklung gibt“. Tatsächlich wurde über einen Ausstieg von Bertelsmann aus dem Digital-Zusammenschluß spekuliert. Wann und ob sich die veraltete d- Box mit dem ARD-Programmführer verträgt, gilt zudem als fraglich. Georg Löwisch
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