Kinotipps für Berlin: Es geht wieder los…

Auch wenn das Programm der Freiluftkinos ein wenig vorhersehbar daher kommt, ist doch Sehenswertes dabei. Und Hauptsache Projektor und Leinwand.

Szene aus dm Film „The United States vs. Billie Holiday“ (2021)

„The United States vs. Billie Holiday“ (2021) Foto: WildBunch

Nun geht es also wieder los. Die Freiluftkinos dürfen öffnen, endlich also wieder richtiges Kino mit Leinwand und Projektor. Ein bisschen wehmütig blicke ich trotzdem zurück auf die Monate des Schreibens über Streaming-Angebote: Auch die deutschlandweiten Online-Festivals oder das Herumstöbern auf den Seiten interessanter Archive haben durchaus Spaß gemacht.

Das Programm von Freiluftkinos ist da doch ein wenig vorhersehbarer: ein Best-of der Arthouse-Erfolge der beiden letzten Jahre. Immerhin: Das Freiluftkino Rehberge eröffnet die Saison am 21. 5. mit „The United States vs. Billie Holiday“, der zwar kürzlich einen Onlinestart hatte, aber tatsächlich noch gar nicht im Kino gelaufen ist.

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Der Film von Regisseur Lee Daniels erzählt die Geschichte der schwarzen amerikanischen Jazzikone Billie Holiday, deren Leben allem musikalischen Erfolg zum Trotz einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale ähnelte: als Kind vergewaltigt, als Jugendliche als Prostituierte im Bordell, später von gewalttätigen Ehemännern und verlogenen Managern ausgenutzt. Sie war abhängig von Heroin- und Alkohol, saß eine Gefängnisstrafe ab und starb bereits mit 45 Jahren, die Gesundheit vom jahrzehntelangen Alkoholmissbrauch völlig ruiniert.

Daniels legt den Fokus allerdings vor allem auf die zahlreichen Verhaftungen durch das FBI, das Drogensucht und –besitz der Sängerin zum Vorwand nimmt, sie mundtot machen zu wollen. Denn Holiday weigert sich, ihren bekanntesten Song „Strange Fruit“, die künstlerische Beschreibung eines Lynchmordes, aus dem Programm zu nehmen.

Doch wird sie deshalb, wie es an einer Stelle heißt, gleich zur Vorreiterin der Bürgerrechtsbewegung? Der Film hätte es nur allzu gern, beharrt letztlich auch ein wenig zu plakativ auf diesem Gedanken. Uneingeschränkt erfreuen kann man sich aber allemal an der Soulsängerin Andra Day, die in ihrer Rolle als Billie Holiday zu einer überzeugend eigenen Interpretation der berühmten Songs findet – und auch als Schauspielerin eine gute Figur macht (21. 5., 21.30 Uhr, Freiluftkino Rehberge).

Im Open Air Mitte, dem Ableger des Kinos Central, geht es bereits am 20.5. mit „Parasite“ los, der brillanten doppelbödigen Gesellschaftssatire des koreanischen Regisseurs Bong Joon-ho, in der sich eine arme Familie mit unlauteren Mitteln Jobs bei einer naiven und überheblichen reichen Familie erschleicht, die den familiären Zusammenhang ihrer neuen Bediensteten gar nicht erkennt.

Mit bitterbösem Humor wird hier das Sozialgefälle der Gesellschaft seziert, nicht zuletzt, indem Bong in seiner Inszenierung sehr das – auch räumliche – Oben und Unten betont (Om engl. U, 20. 5., 21.15, Open Air Mitte, 26. 5., 21.30, Freiluftkino Rehberge).

Auch ein klasse Film: „Niemals Selten Manchmal Immer“, in dem Regisseurin Eliza Hittman von der 17-jährigen Schülerin Autumn erzählt, die ist gerade erfahren hat, dass sie schwanger ist. Doch mit Mutter und Stiefvater kann Autumn darüber nicht sprechen. Und so macht sie sich, begleitet von ihrer Cousine Skylar, auf den Weg ins anonyme New York, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen.

Es geht um ein immer konservativeres Amerika, aber mehr noch um die meist wortlose, sich in kleinen Gesten ausdrückende weibliche Solidarität, die Autumn mit ihrer Cousine verbindet. Und nicht zuletzt um einen Trip zu sich selbst – was für Autumn vor allem bedeutet, die Kontrolle über ihren Körper wiederzuerlangen (OmU, 26. 5., 21.30, Freiluftkino Kreuzberg).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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