piwik no script img

Kinotipps der WocheDie wahren Ereignisse

„Judas and the Black Messiah“ in der Hasenheide, Forschung und Film beim „Wissensstadt Sommerkino“ und eine Retrospektive Marina Vlady im Arsenal.

„Judas and the Black Messiah“ (Regie: Shaka King) Foto: Warner Bros.

I m Rahmen der Filmreihe zum Projekt „Wissensstadt Berlin 2021“ zeigt das Open Air Kino vor dem Roten Rathaus eine vergnügliche Verfilmung von Jules Vernes phantastischem Abenteuerroman „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ durch den Regisseur Henry Levin.

Der amerikanische Film aus dem Jahr 1959 war zweifellos ein Traum für Production Designer und Dekorateure, die in der Unterwelt exotisch bizarre Salzlandschaften, von Flora und Fauna der Urwelt inspirierte Welten mit Riesenpilzen und Dinosauriern sowie die Ruinen des versunkenen Atlantis gestalten durften.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Mittendrin: James Mason als viktorianischer Forscher, der ausschließlich für seine Arbeit lebt und erst nach und nach von den Qualitäten seiner überaus patenten Begleiterin (Arlene Dahl) überzeugt werden kann. Wie es tatsächlich unter der Erde aussieht und worauf der Forscherdrang heutzutage abzielt, das wird Prof. Uwe Altenberger vom Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam dann in einem begleitenden Vortrag erläutern (30. 7., 20.30 Uhr, Wissensstadt Sommerkino)

Ein Star des französischen Films war Marina Vlady bereits als Teenager im später etwas abschätzig betitelten „Qualitätskino“ der 1950er-Jahre, noch vor den Tagen der Novelle Vague. Ihren vielleicht bekanntesten Film aber schuf dann doch Jean-Luc Godard mit „2 ou 3 choses que je sais d’elle“ (1966/67), der auch die bereits zweimal verschobene und nun endlich stattfindende, 22 Filme umfassende Marina-Vlady-Retrospektive im Kino Arsenal in Anwesenheit der Schauspielerin eröffnet.

Der typische Godard-Essay-Film begleitet – vom Regisseur flüsternd kommentiert – eine Pariser Hausfrau (Vlady) einen Tag durch ihr Leben, vom Dasein einer Kleinfamilie in den Hochhausschluchten der Vorstadtsiedlung bis zur Gelegenheitsprostitution in der Innenstadt. Die Prostitution ist für Godard die Metapher zur Situation des Menschen im Spätkapitalismus – es geht also nicht um die Darstellung eines Einzelschicksals, sondern um das große Ganze (OmU, 29.7., 20 Uhr, Arsenal 1).

„Das letzte, was wir brauchen können, ist ein schwarzer Messias“, sagt in Shaka Kings Spielfilm „Judas and the Black Messiah“ der reaktionäre FBI-Chef J. Edgar Hoover (Martin Sheen) und gibt damit den Anstoß zur Ermordung von Fred Hampton (Daniel Kaluuya), dem Gebietsleiter der militanten Bürgerrechtsbewegung Black Panther Party in Illinois.

Das FBI hatte ihn mithilfe eines Spitzels ausgespäht, und im Dezember 1969 stürmte die Polizei von Chicago eine Wohnung der Panther Party mit dem erklärten Ziel, Hampton zu töten: Der mit Schlafmitteln betäubte Hampton wurde an seinem Schlafplatz erschossen.

Dass diese wahren Ereignisse heute wieder von Interesse sind, hängt natürlich mit dem sich verändernden Gesellschaftsklima in den USA zusammen: Selbstbewusste schwarze Filmemacher arbeiten die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung und die Aktivitäten verschiedener Bürgerrechtsbewegungen künstlerisch auf.

Was dem Film dabei exzellent gelingt, ist die Vermittlung des Charismas von Fred Hampton, der es etwa schafft, kraft seiner Persönlichkeit rivalisierende Straßengangs davon zu überzeugen, bei seiner Sache mitzutun.

Die Black Panther Party zeichnet Shaka King dabei durchaus als zwiespältige Organisation, gab es dort doch auch einen fatalen Hang zu militärischer Organisation, Waffen und Radical Chic, der es dem FBI relativ leicht machte, die Panthers zu Staatsfeinden zu erklären (OmU, 2. 8., 21.30 Uhr, Freiluftkino Hasenheide).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Lars Penning
Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!