Kinotipps der Woche: Vertreibung, Tod und Jazz

„Sehsüchte“ feiert 50-jähriges Jubiläum, das B-ware! zeigt einen Konzertfilmklassiker und Avi Mograbi erzählt von den Zuständen in der Westbank.

Noch eine Sekunde zu leben: Kurzfilm „One Left“ von Sebastian Doringer, Österreich 2020 Foto: Sebastian Doringer

Man mag es kaum glauben, aber „Sehsüchte“, das Festival der Studierenden der heutigen Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, gibt es inklusive seiner Vorläufer bereits seit 50 Jahren. Das Jubiläumsfestival eröffnet mit dem Programm „Wildfires“: kurze Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilme zum Thema Körperlichkeit.

Das reicht von den todgeweihten Patienten in Sebastian Doringers Animationsfilm „One Left“ bis zur Begegnung der österreichischen Kaiserin Sisi mit ihrem Mörder, dem Anarchisten Luigi Lucheni, in „Der kleine Tod“ von Christoph Rohner (23. 7., 15 Uhr, Filmmuseum Potsdam).

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Ein Beispiel für die Vielfalt verschiedener Jazzstile ist der Konzertfilmklassiker „Jazz on a Summer’s Day“ (1960, R: Bert Stern und Aram Avakian), der das breit aufgestellte Lineup des Newport Jazzfestivals von 1958 dokumentiert.

Zeitgenössische Stars wie der Be-Bop-Pianist Thelonious Monk, der Hard-Bop-Saxophonist Sonny Stilt und der Saxophonist Gerry Mulligan als prominenter Vertreter des Cool Jazz teilen sich hier die Bühne mit der populären Swing-Stimme Anita O’Day, der Bluessängerin Big Maybelle Smith sowie Mahalia Jackson mit ihren Gospelsongs.

Die längste Sequenz des impressionistischen Dokumentarfilms ist Louis Armstrong gewidmet, dessen traditioneller New Orleans Jazz deutlich seine Herkunft vom Blues verrät. Überraschend wirkt der Auftritt von Rock ’n’ Roll-Star Chuck Berry, hier mit Jazzmusikern als Begleitband.

So merkwürdig uns heute ein Klarinettensolo in seinem Hit „Sweet Little Sixteen“ erscheinen mag, zeigt es doch deutlich die gemeinsame Herkunft populärer amerikanischer Musikformen (26. 7., 21. 30 Uhr, Sommerkino Schloss Charlottenburg, 27. 7., 21.30 Uhr, B-ware! Open Air).

Wie im bereits vergangenen Jahr bespielt das Kino Arsenal im Rahmen der Veranstaltung „21 Sunsets“ im Haus der Kulturen der Welt die Dachterrasse mit einem von Stefanie Schulte Strathaus kuratierten Filmprogramm. Zu sehen ist dabei unter anderem der neue Film „The First 54 Years – An Abbreviated Manual for Military Occupation“ des israelischen Regisseurs Avi Mograbi, der in seinen innovativen Essay-Dokumentationen nie ein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es gilt, sich mit Missständen in seinem Heimatland auseinandersetzen.

Diesmal geht es um die Okkupation der von Palästinensern bewohnten Westbank und des Gaza-Streifens durch Israel seit dem sogenannten Sechstagekrieg von 1967. Herzstück des Films sind die Aussagen von ehemaligen Soldaten aus dem Umkreis der – in Israel äußerst umstrittenen – NGO „Breaking the Silence“, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschenrechtsverletzungen und militärischen Alltag in den besetzten Gebieten zu dokumentieren.

Vertreibung von Flüchtlingen, Kollektivbestrafungen, Militärgerichte und Psychoterror – die Schilderungen der Augenzeugen lassen den Zynismus einer Maschinerie erkennen, in der sich das Mittel der Gewalt komplett verselbstständigt (25. 7., 21 Uhr, HKW Open Air).

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.