Kinotipp der Woche: Ungefüg unterwegs
Klassisches Hollywood mit innovativen Twists: Das Kino Arsenal präsentiert Produktionen der Columbia Studios darunter Dorothy Arzners „Craig's Wife“.

Während ihr Mann Walter in New York glaubt auf einen Pokerabend zu gehen, der dann mangels Teilnehmern ausfällt und in einem Abend voller Selbstmitleid des Gastgebers versinkt, ist Harriet Craig mit ihrer Nichte Ethel auf Krankenbesuch bei ihrer Schwester in Albany, New York State. Als Ethel ihrer Mutter auf die Laune zu schlagen beginnt, entführt Harriet die junge Frau kurzerhand für ein paar Wochen zu sich in die Stadt.
Auf der Zugfahrt zurück gesteht Ethel Harriet, dass sie sich mit einem Lehrbeauftragen des Colleges verlobt hat. Zu Ethels Verwunderung hält Harriet dergleiche romantische Verwirrungen für einen Irrweg. Dorothy Arzner, eine der wenigen Regisseurinnen großer Hollywood-Filme in den 1930er Jahren, porträtiert in „Craig’s Wife“ (1936) eine Frau, die in der Ehe mit dem naiven Walter ihre Unabhängigkeit finanziell abzusichern versucht.
Arzner zeigt unübersehbar die Missbilligung, die Harriet in ihrem ungefügen Auftreten entgegenschlägt. Der Film ist eines der Beispiele, mit denen das Kino Arsenal die Geschichte der Columbia Studios in ihrer klassischen Hollywoodzeit beleuchtet.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Die Filmreihe „The Lady with the Torch“ zeigt eine Auswahl jener Retrospektive, mit der das Filmfestival in Locarno letzten Sommer Columbia würdigte. Da das eigene Kino des Arsenals noch im Bau ist, läuft die Filmreihe in Berlins filmhistorisch relevantestem Kino, dem Zeughauskino (das seinerseits ebenfalls im Exil in einem Ausweichquartier ist).
Agilität eines Wandschranks
„Craig’s Wife“ ist ein Schauspielerfilm. Harriets Mann Walter wird gespielt von John Boles, der seinen Rollen die körperliche und geistige Agilität eines Wandschranks zu verleihen pflegte, ohne dabei eine schlechte Figur zu machen. Wichtiger aber noch: Dorothy Arzner spielt in dem Film mit dem Image ihrer Hauptdarstellerin Rosalind Russell als distinguierte junge Dame.
In einem Interview aus dem gleichen Jahr, in dem Arzners Film entsteht, hadert Russell genau mit dieser Art Rolle: „Eine perfekt gekleidete Dame zieht im echten Leben Misstrauen auf sich und wenn man mit schönen Kleidern und charmanten Manieren auf eine Leinwand stolziert, ahnt noch der naivste Kinogänger, dass man dem Helden nichts Gutes will.“ Arzners Harriet zeigt das Beharren darauf, dass es in weiblichen Rollen nicht darum gehen muss, dem männlichen Helden Gutes zu wollen.
Der Titel der Filmreihe greift das Markenzeichen der Columbia auf, die Frau mit der Fackel, die vor jedem Film zu sehen ist. In der Geschichte der Frau mit der Fackel spiegelt sich der Aufstieg des Studios. Als die Brüder Jack und Harry Cohen ihre New Yorker Cohn-Brandt-Cohn Film Sales Corporation 1924 neu erfanden und aus der Produktionsfirma für Billigfilme einen Inbegriff für hochwertige Filme machen wollten, suchten sie nach einem Logo, das dieses Rebranding bildlich darstellte.
The Lady with the Torch. Hommage an Columbia Pictures, Arsenal on Location im Zeughauskino, bis 31. März, Unter den Linden 2; „Craig's Wife“, engl. OF, Samstag, 8. März, 18 Uhr
Der erste Anlauf war eine junge Frau, deren Gewänder sich bauschen, ein Schild in der Linken, einen Olivenzweig in der Rechten. Das Bild griff das Motiv einer 25 Cent-Münze auf. 25 Cent waren damals ein geläufiger Preis für ein Kinoticket. Vier Jahre später, 1928, lief vor den Filmen der Cohen-Brüder erstmals eine Variante jenes Logo, das Columbia Pictures berühmt machen sollte: eine junge Frau, gehüllt in die Flagge der USA mit einer Fackel in der rechten Hand.
Im Mai 1936 weicht die Fahne einem drapierten Stück Stoff. Die Frau mit der Fackel hatte ihr Erscheinungsbild gefunden und Columbia Pictures sich in der Zwischenzeit neben Universal und United Artists unter den Hollywood-Studios der zweiten Reihe einen Namen gemacht.
Die Werkschau der klassischen Phase von Columbia Pictures in den 1930er und 1950er Jahren präsentiert neben Klassikern wie Frank Capras „Mr. Deed goes to Town“ (1936), Orson Welles’ Rita Hayworth-Vehikel „The Lady from Shanghai“ (1947) und Fritz Langs „The Big Heat“ (1953) auch eine Reihe von Filmen, in denen nicht zuletzt europäische Exilanten mit kleineren Budgets Innovatives probierten: Hugo Haas drehte mit eigenem Geld den Film Noir „Pickup“, in dem sich die Lebenswege einer jungen Frau mit einem etwas älteren tschechischen Emigranten kreuzen.
Andre de Toths seit einigen Jahren wiederentdeckter „None Shall Escape“ zeigt die Übergriffe von Nazi-Deutschland als deutsche Urgroßväter Polen überrannten und nimmt die Nürnberger Prozesse vorweg. Die Reihe „The Lady with the Torch“ lädt ein zu einer Zeitreise als Hollywood-Studios noch Labor und Vermarktungsinstitutionen für innovatives Kino waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!