Kinotipp der Woche: Die Politik des Sammelns
Das Arsenal widmet sich mit Archival Assembly #2 der Arbeit von internationalen Archiven. Im Kino Arsenal, silent green und Sinema Transtopia.
Schemenhaft zeichnen sich in den Grisaillebildern der Mine Menschen und Loren ab. Wie von Geisterhand springen die Erzbrocken einen kleinen Abhang hinauf zurück in die Wagen, gefüllt gleiten sie scheinbar ohne Anstrengung zurück in den Bildhintergrund.
Das Summen von Fliegen füllt die Tonspur. Endlose Massen von Loren, Säcken, Kisten und Fässern werden in Petna Ndaliko Katondolos gut zwanzigminütigem „Kapita“ (2020) bewegt.
„Kapita“ verdichtet über die Zeiten hinweg Bilder der Extraktion von Rohstoffen aus Zentralafrika. Ndaliko Katondolo legt Muster von Rohstoffkreisläufen und kolonialen Repräsentationsmustern offen, die sich bis in die Filmfarben selbst eingeschrieben haben, die auf die korrekte Wiedergabe der Farbe weiß, ausgerichtet sind.
Vor zwei Jahren lud das Arsenal zum Abschluss eines umfangreichen Projektes zum eigenen Archiv unabhängige Forschende zu Filmarchiven und deren politischer Bedeutung zu einer großen Zusammenkunft. Ab Donnerstag findet nun die zweite Archival Assembly statt.
Archival Assembly #2, 8.–15. Juni, Ausstellung bis 2. Juli, Kino Arsenal, silent green, Sinema Transtopia, ein Programmheft (PDF) kann hier runtergeladen werden
Das Herz der Veranstaltung bilden zwei Symposien, ergänzt durch eine Filmreihe und eine Ausstellung. Das Arsenal selbst widmet sich in einem Symposium dem „Accidental Archivism. Shaping Cinema’s Futures With Remnants Of The Past“ (Zufälliger Archivismus. Die Zukunft des Kinos mit Überbleibseln der Vergangenheit gestalten).
Im Sinema Transtopia werden ab Montag, 12. Juni, vier Tage lang Found Futures präsentiert. Die Veranstaltung entspinnt sich zwischen dem aktuellen Kino des Arsenals am Potsdamer Platz, dem silent green Kulturquartier, in das in zwei Jahren nach dem Archiv des Arsenals das Kino nachziehen wird, und dem Sinema Transtopia, das sich seit der Neueröffnung zu einem zentralen Ort für Kinodiskurse entwickelt hat.
Insgesamt vier Filme Petna Ndaliko Katondolos versammelt die Archival Assembly zu einem Tribut an den kongolesischen Filmemacher. „Matata“, der neben „Kapita“ im Eröffnungsprogramm im silent green läuft, setzt auf performative Elemente, um die Bilder von kolonialen Traditionslinien zu befreien.
Wenig später läuft im Arsenal am Potsdamer Platz eine ganz andere Form der Performance zur Eröffnung: Alain Gomis’ gut einstündiger „Rewind and Play“, in dem ein Fernsehteam den französischen Reporter Thelonius Monk 1969 kurz vor einem Konzert in Paris in Wahrnehmungsmuster zu pressen versuchten, die in Monk sichtbar Unbehagen erzeugen und denen er sich zu entziehen versucht.
Die Bandbreite der zweiten Archival Assembly reicht von Vorträgen über Filme bis zu performativen Praktiken wie der Filmperformance von Filipa César und Marinho de Pina, in der gemeinsam mit vielen Beteiligten der Bau des Filmzentrums Abotcha – Mediateca Onshore in Guinea-Bissau mit filmischer Praxis in Interaktion gebracht wird. In den Filmen des mexikanischen Filmkollektiv Los Ingrávidos wiederum klingen rituelle Praktiken an.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
In der diesjährigen Archival Assembly verstetigt sich die Auseinandersetzung des Arsenals mit dem Politikum der Filmarchivierung. In den vorgestellten Beispielen durchdringen sich Fragen des Bewahrens von Film und der Repräsentation in Filmbildern.
Fragestellungen, die zentral sind für den Umgang mit Filmgeschichte und die die Geschichte des Arsenals seit seinen Anfängen prägen. Umso passender, dass die Archival Assembly #2 Auftakt der Feierlichkeiten ist, mit denen das Arsenal von Juni an seinen 60. Geburtstag feiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!