Kinotipp der Woche: Das eigentlich Unerhörte

Jesus als Ur-Sozialist. Sowas gelang nur Pier Paolo Pasolini. Das filmkunst66 zeigt drei seiner Filme von „Das 1. Evangelium – Matthäus“ bis „Medea“.

Filmstill aus Pasolinis "Medea". Eine Frau in einem Gewand aus schwerem blauen Stoff steht vor einer felsigen Landschaft. Sie hält eine Schaufel in der linken Hand und hebt den rechten Arm.

Jesus, dicht gefolgt von Medea. Als zweiter von drei Pasolini-Filmen läuft am 14. Mai „Medea“ Foto: Unzero Films

„Das 1. Evangelium – Matthäus“ ist ein Jesus-Film von Pier Paolo Pasolini, der trotzdem sogar dem Vatikan gefällt. Der schwule, schon beim Start des Films in den Kinos in den mittleren Sechzigern in Italien als amoralisch und eine Art Staatsfeind verschriene Regisseur, der dazu noch atheistisch, Kommunist und überhaupt aus kirchlicher Sicht einfach nur verdammenswert war, schuf damit den neben „Das Leben des Brian“ großartigsten Bibelfilm überhaupt. Und einen der wenigen dieses Genres, bei dem man nicht sofort tief in den Schlaf fällt. Keinen mit feschen Römern in Sandalen und Jesus als übergroßer Figur, obwohl er das letztlich als klarer Star des Films natürlich dann doch ist.

Pasolinis Jesus ist aber vor allem Mensch und weniger der Sohn Gottes und das ist ja das eigentlich Unerhörte. Er ist Wanderprediger, von denen zu seiner Zeit so einige unterwegs waren. Und selbst wenn er seine Wunder vollbringt, denkt man sich, dass man das unter Umständen auch selbst so hinkriegen könnte. Und die ganzen guten Dinge, die er so tut und von denen Pasolini streng nach den Überlieferungen aus dem Matthäus-Evangelium berichtet, lassen ihn weniger als den Gesalbten in göttlicher Mission wirken, sondern wie einen Ur-Sozialisten. Die Welt ist schlecht, es gibt keinen vernünftigen Grund, dass die Pharisäer alles haben und die Armen nichts. Das gehört geändert und Jesus macht sich einfach an die Arbeit, um die ungerechten Zustände, die natürlich zu seiner Zeit besonders krass herrschten, zu verbessern.

Das Filmkunst 66 zeigte Pasolinis Klassiker nun mal wieder, im Rahmen einer guten alte Matinee um 12 Uhr, also zur besten Brunch-Zeit, wozu man ruhig auch ein paar übriggebliebene Ostereier mitbringen durfte. Und das am 1. Mai, am Tag der Arbeit, was zu dem klassenkämpferischen Film bestens passt. Den Mai über laufen dann „Medea“ aus dem Jahr 1969, sowie pünktlich zum Pfingsmontag – ebenfalls mit Kapitalismuskritik und Wüstengang – „Teorema“ von 1968 in der italienischen Originalfassung mit englischen Untertiteln.

Dreimal Pasolini, filmkunst 66, 1. 5.: „Das Erste Evangelium – Matthäus“ (dtsch. Fassung); 14. 5.: „Medea“ (dtsch. Fassung); 29. 5.: „Teorema“ (OmEU), je 12 Uhr, Bleibtreustr. 12

Neorealismus und Gottesmutter

„Das 1. Evangelium – Matthäus“ kam erstmals 1964 in die Kinos. Längst ist er ein Meilenstein des typisch italienischen neorealistischen Films, der zu dieser Zeit in seiner absoluten Hochform war. Pasolini arbeitete wie üblich bevorzugt mit Laiendarstellern. Der Philosoph Giorgio Agamben etwa spielt – fun fact der Sonderklasse – einen der Apostel, Pasolinis eigene Mama die Gottesmutter.

Das Wirken und Leiden Jesu soll damit so naturalistisch wie nur irgendwie möglich gezeigt werden, nichts Gekünsteltes soll diese Intention durchkreuzen. Mel Gibson hat später mit seinem umstrittenen „Die Passion Christi“ die Ideen von Pasolini aufgegriffen und diese sogar in ihrer Radikalität übertroffen, dafür aber eine gehörige Portion Antisemitismus in seine Jesus-Geschichte mit eingebaut.

Dafür setzt Pasolini mit dem Einsatz seiner Musik um so stärker auf Effekte. Da erklingt das Traurigste vom Traurigen von Mozart und passenderweise Bach mit seiner „Matthäus-Passion“.

Ostern ist zwar bereits rum, aber da Pasolini mit Religion eh nichts am Hut hatte und allenfalls vom Katholizismus fasziniert war, zeigt das Filmkunst 66 „Das 1. Evangelium – Matthäus“, sicherlich nicht zu spät im Jahr. Allein schon, weil es sich immer lohnt, dieses Meisterwerk zu sehen, in das es zudem noch vorab eine kleine filmhistorische Einführung geben wird.

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