piwik no script img

Kinotipp der Woche40 klingende Register

Von KI bis Nosferatu: Das diesjährige Stummfilmfestival bietet eine originelle Auswahl und wird von einer echten Kirchenorgel begleitet.

Stephan Graf v. Bothmer am Klavier Foto: Birgit Meixner

Stummfilme mit Klavierbegleitung, das kennt man zu Genüge. Inzwischen hat man sich auch an das Zeigen tonloser Filme gewöhnt, zu der eine Rock-, Jazz- oder Sonstwas-Band ihr Bestes gibt oder ein DJ den Mixer bedient. Auf dem Sektor Stummfilm mit Sounduntermalung ist längst einfach so gut wie alles möglich.

Dennoch vergleichsweise originell kommt nun die diesjährige Ausgabe des Stummfilmfestivals vom vierten bis 18. März daher, bei dem die Bewegtbilder auf der großen Leinwand vom Spiel auf der amtlichen Kirchenorgel der Zwölf-Apostel-Kirche in Schöneberg begleitet werden.

Stephan Graf von Bothmer, der sich eigentlich einen Namen als klassischer Klavierbegleiter von Stummfilmen gemacht hat, wird das mächtige Instrument mit den 40 klingenden Registern bedienen. Man wird also einen wirklich fetten und überwältigenden Sound erwarten können, bei dem selbst das teure Soundsystem im Multiplexkino nebenan Mühe haben wird, mithalten zu können.

Von einem gewissen Willen zur Originalität zeugt auch die diesjährige Auswahl der Filme, die musikalisch interpretiert werden. Zumindest am Eröffnungstag ist das der Fall, wenn es gar nichtmal losgeht mit einem echten Film, sondern mit gezeigten Kunstwerken, die von einer Künstlichen Intelligenz generiert wurden. Das ist doch wirklich mal was anderes als immer bloß „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ zu vertonen (wobei genau das eine Woche später dann doch der Fall sein wird).

Das Festival

Stummfilmfestival: 4. bis 18. März in der Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1

Gefüttert wurde die KI von dem Autoren und Verleger Ruprecht Frieling (Motto auf seiner Homepage: „Folge Deinem Stern!“), der sich den Künstlernamen Prinz Rupi zugelegt hat und von sich selbst nicht eben unbescheiden behauptet, als KI-Anwender „in der zeitgenössischen Kunst an vorderster Front“ zu stehen.

Falls diese an der vordersten Kunstfront erstellten Bilder aber auch nur ansatzweise dem unfassbar scheußlichen Cover seiner Autobiographie „Der Bücherprinz“ ähneln sollten, kann es sein, dass man bei diesem Event dann doch lieber seine Augen schließen und nur den Orgelklängen lauschen sollte.

Später an diesem Eröffnungstag des Stummfilmfestivals wird dann noch „The Mysterious Lady“ (1928) mit Greta Garbo als russischer Spionin gezeigt, die sich tragisch verliebt und dann Ärger mit dem russischen Geheimdienst bekommt. Zumindest letzteres zeigt, dass der Film sogar einen Hauch von Aktualität verströmt. Ansonsten bietet er immerhin Drama genug, um die Orgelpfeifen richtig schön pathetisch zum Dröhnen zu bringen.

Wie bereits erwähnt, wird dann eine Woche darauf Walter Ruttmanns ewiger Klassiker „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (1927) gezeigt und kurz vorher ein paar Stummfilmkomödien mit Stan Laurel und Oliver Hardy, was zeigt, dass bei diesem Festival wirklich für jeden Geschmack etwas mit dabei ist.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Fehlen darf im Rahmen eines solchen natürlich auch niemals „Nosferatu“ (1922) von F.W. Murnau, dem bis Ende April übrigens auch eine sehenswerte Ausstellung in der Berliner Sammlung Scharf-Gerstenberg gewidmet ist. Der Film mit Max Schreck als Obervampir Graf Orlok wird gleich zwei Mal vorgeführt. Einmal mit einfacher Orgelbegleitung und einmal, zum krönenden Abschluss des Festivals, mit Orgel, Chor und Orchester. Mehr geht dann, auch was den Sound betrifft, wirklich nicht mehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mein Kinotipp des Monats ist:



    L´ultima notte die Amore.



    Lief auf der Berlinale. Ob er im Kino demnächst zu sehen sein wird, ist fraglich.



    Ein überaus spannender Krimi, der in Milano spielt!

  • Hier möchte ich noch mal an das Geheimnis von Babylon erinnern und an Hans Joachim Eichberg.



    babylonberlin.eu/kino-orgel