Kinotipp der Woche: Die volle Freiheit
Zum 85. Geburtstag der feministischen Filmemacherin Ula Stöckl zeigt das Moviemento ihren Film „Sonntagsmalerei“ in einer neu restaurierten Fassung.
Die Filmemacherin Ula Stöckl wird nun 85 Jahre alt, aber an die Rente scheint sie deswegen nicht denken zu wollen. Noch immer unterrichtet sie an der University of Central Florida und an ihrem Geburtstag will sie nicht etwa ihre Ruhe, sondern kommt lieber als Ehrengast in das Berliner Kino Moviemento, das zur Feier des Tages einen alten Film von ihr ausgegraben hat. „Sonntagsmalerei“ heißt dieser und ist eine Produktion aus dem Jahr 1971 für das ZDF, die vor kurzem erst restauriert wurde.
Erstaunlich ist an dieser zuvorderst die Erkenntnis, dass vor mehr als 50 Jahren solch ein Film tatsächlich im Öffentlich-Rechtlichen ausgestrahlt wurde. Stöckl bekam für diesen volle künstlerische Freiheit und nutzte diese auch. Sie drehte mit Super-8, verzichtete auf eine kohärente Handlung und erzählte die Geschichte ihrer Hauptprotagonistin Eva, die damit beschäftigt ist, ihr Leben zu sortieren, im Stile eines filmischen Tagebuchs.
Und wenn diese Eva am Münchner Viktualienmarkt sich nur schwer entscheiden kann, welche Käsesorten sie kaufen soll und dabei ständig weitere Kunden durchs Bild rennen, dann ist das halt so. Der Neue Deutsche Film wollte neue Wege gehen, Stöckl auch.
Sie arbeitete am Beginn ihrer Karriere mehrfach mit Edgar Reitz zusammen, der bald mit seinem „Heimat“-Epos weltberühmt wurde. Nach ein paar Kurzfilmen erschien 1968 ihr Kinodebüt „Neun Leben hat die Katze“, das als erster explizit feministischer Spielfilm der BRD gilt.
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Im selben Jahr gründete sie auch ihre eigene Produktionsfirma und drehte dann vor allem für das Fernsehen zig Filme, die sich mit patriarchalischen Machtstrukturen beschäftigten und damit, wie sich Frauen in diesen zurechtfinden müssen.
Um diese Thematik kreist dann auch „Sonntagsmalerei“. Eva hat eine Beziehung zu einem verheirateten Mann, von dem sie aber nicht abhängig sein möchte. Also sucht sie sich noch einen Typen und versucht es mit der Polyamorie. Was sie dabei erlebt und was sie denkt, wird alles von der Kamera eingefangen.
Der Film wirkt letztlich weniger wie ein Spiel- als vielmehr wie ein Dokumentarfilm, der vom Leben einer jungen Frau auf der Suche nach Freiheit berichtet. Diese kommt irgendwann zu der Überzeugung, dass sie sich weniger über ihre Typen definieren, sondern vor allem an sich selbst denken sollte.
Sie räumt zwar irgendwann die Spülmaschine aus und sagt sich dabei, nun ein neues Leben beginnen zu wollen, ordentlicher geregelt als bisher. Rennt dann aber zum Shoppen von allerlei Klamotten, bis ihr das Geld ausgeht und sie sich bei einer Freundin etwas leihen muss. Ständig ist da die Zerrissenheit zwischen den gesellschaftlich vorgegeben Strukturen und dem Ausbruch aus genau diesen.
Und immer hat Stöckl dabei die Befindlichkeiten der Frau im Blick, während die Männer mit ihren schrecklichen Siebzigerjahrenfrisuren zur Staffage degradiert werden, denen man mal zur eigenen Belustigung über ihr Bäuchlein streichelt wie einem Kleinkind.
Eine ältere Dame, ganz offensichtlich Evas Mutter, wünscht ihr endlich eine Familie, Kinder und damit Sicherheit. Und wahrscheinlich ist es ihr Schwager, der da am Küchentisch sitzt und ihr ganz wichtig erklärt, dass es da einen Zusammenhang gebe mit ihrer Beziehung zu Hallodri-Typen und ihrer dauernden Geldnot.
Von allen Seiten wird ihr erklärt, was sie falsch mache und was sie demnach besser machen sollte. Aber eigentlich wirkt Eva, die aus ihrem Leben ein Experiment macht, ganz zufrieden.
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