Kinotipp der Woche: Bilder für das Unbewusste

Phantastischer Trip: Die Reihe „Maximal Surreal“ im Filmmuseum Potsdam zeigt Werke, bei denen alles wunderbar durcheinander geht.

Szene aus „Tausendschönchen“ (R: Věra Chytilová, ČSSR 1966) Foto: Bildstörung

Die Handlung von David Lynchs Film „Eraserhead“ (1977) verstehen zu wollen, fällt schwer. Ein Typ erfährt von seiner Ex-Freundin, dass er Vater geworden ist von einem Baby, das rumschreit und auch noch ganz schön komisch aussieht. Fortan muss er sich mit dem Balg in seiner Bruchbude herumplagen. Alles ist völlig bizarr, das Aussehen des Kindes, die Geräusche, die es von sich gibt und was dann noch alles so passiert, das versteht eh kein Mensch.

Lynch hat hier in Schwarz-Weiß-Bildern den absoluten Albtraum auf die Leinwand gebracht, einen komplett verstörenden Film, dem mit den herkömmlichen Vorstellungen von Logik und Handlung nicht beizukommen ist. Aber wenn man sich auf den ganzen Spaß einlässt und gar nicht den Anspruch hat, kapieren zu wollen was nicht zu kapieren ist, dann erschließt sich einem doch, warum „Eraserhead“ ein Meisterwerk des surrealistischen Avantgarde-Films ist, als das er allgemein gilt.

Immerhin bekommt man hier auch noch das genaue Gegenteil durchschnittlicher Fernsehfilme vorgesetzt, wie sie von den Öffentlich-Rechtlichen andauernd ausgebrütet werden und das allein ist auch schon etwas wert. Bei diesen ist man schließlich nie davon überrascht, was als nächstes so passiert. Bei „Eraserhead“ dagegen kann man beim besten Willen nicht wissen, welche Skurrilitäten einem als nächstes aufgetischt werden.

Lynchs Film wird in der Filmreihe „Maximal Surreal – Filme aus zehn Jahrzehnten“ im Filmmuseum Potsdam gezeigt, die bereits begonnen hat, aber noch bis zum 22. Januar geht. Sie begleitet die gleichzeitig im Potsdamer Museum Barberini gezeigte Ausstellung „Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne“.

„Maximal Surreal“: Im Filmmuseum Potsdam und im virtuellen Kinosaal auf Kino2online, bis 22. Januar

Geboten wird im Filmmuseum ein Streifzug durch die Welt des surrealistischen Films, der mit „Der andalusische Hund“ von Luis Bunuel und Salvador Dali schon 1929 ein frühes Hauptwerk hervorgebracht hat, das einen auch heute noch erstaunt.

Die Idee, Bilder für das Unterbewusste und Träume zu finden, hat Filmschaffende in der ganzen Welt bis heute geprägt. Entstanden sind unter dem Einfluss des Surrealismus nicht nur einzigartige Filme der tschechischen New Wave in den Sechzigern wie „Tausendschönchen“ von Vera Chytilova. Sondern auch ein Erfolgsregisseur wie Tim Burton verdankt dem Surrealismus so einiges.

Dass das Genre des Bodyhorrorfilms, in dem Körper sich grotesk verrenken oder gar auflösen, ebenfalls so einiges dem Surrealismus verdankt, liegt da natürlich auf der Hand. Großmeister in diesem Bereich ist David Cronenberg, zumindest was sein frühes bis mittleres Werk betrifft.

Mit „Naked Lunch“ erschuf er 1991 einen Film, bei dem er endgültig alle Grenzen zwischen Realität, Alptraum und drogeninduzierten Halluzinationen verwischte und in dem selbst Schreibmaschinen wie lebendige Wesen wirken können.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Der Film ist eine Romanverfilmung nach einer Vorlage des Beatnikpapstes William S. Burroughs. Die galt eigentlich bis dahin als unverfilmbar, was Cronenberg aber nicht weiter störte. Sein Werk ist nicht nur eine ganz spezielle Verarbeitung eines Romans, sondern auch eine Hommage an Burroughs und gleichzeitig ein bildgewaltiger und phantastischer Trip.

Standardisierte Filme mit logisch durchdachten Plots von A bis Z kann man noch oft genug sehen. Surrealistische Meisterwerke der Filmgeschichte, bei denen wirklich alles heillos durcheinander geht, jetzt im Filmmuseum Potsdam.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.