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Kinotipp der WocheIkonen im Club

In seinem VoD-Club präsentiert der Verleih Salzgeber jede Woche Neuheiten: Darunter die queere Doku „Kleines Mädchen“ und eine Musikdoku zu PJ Harvey.

Szene aus „Kleines Mädchen“ (FR 2020, Regie: Sébastien Lifshitz) Foto: Salzgeber

Filme aus dem eigenen Programm macht der Berliner Filmverleih Salzgeber schon seit einer Weile auch via Streaming zugänglich. Seit über drei Jahren über das Portal Vimeo. Aber das Angebot etwas übersichtlicher zu gestalten, zu kuratieren, wie man heute sagt, das ist wie so viele Neuerungen derzeit im Streamingbereich, eine wegen Covid-19 initiierte Idee, so Christian Weber vom Verleih. Salzgeber Club nennt sich das ganze und ist entstanden während des ersten Lockdowns im letzten Frühjahr.

“Seitdem veröffentlichen wir fest einmal pro Woche, immer donnerstags, einen Film als VoD im Salzgeber Club. Dieser Film ist dann für vier Wochen dort prominent platziert.“ Danach verschwindet der Film zwar wieder von dieser Stelle, ist aber weiterhin über Vimeo abrufbar. Aktuell ist der Club also vor allem dafür da, Aufmerksamkeit auf bestimmte, meist neuere Titel im Verleih zu lenken. “Davon abgesehen können aber auch immer mal wieder ältere Titel, die es bisher noch nicht als VoD gibt, im Salzgeber Club präsentiert werden“, so Weber.

Salzgeber hat sich vor allem einen Namen als Verleih für queeres Kino gemacht. Und auch im Club werden aktuell schwul-lesbische Filme wie der finnische Liebesfilm “Die Hütte am See“ von Mikko Makela oder der in Berlin spielende Coming-of-Age-Streifen “Kokon“ von Leonie Krippendorff gezeigt.

Popikone PJ Harvey & Produzenten-Pampa mit Conny Plank

Aber dass Salzgeber ein Spezialist für queeres Kino ist, heißt noch lange nicht, dass der Verleih darauf festgelegt ist. So lief vor kurzem erst im Club die Dokumentation “A Dog Called Money“ über die große englische Popikone PJ Harvey und deren Arbeit an ihrem fünf Jahre alten, aber immer noch aktuellsten Album “The Hope Six Demolition Project“.

Szene aus „PJ Harvey – A Dog Called Money“ (IR/GB 2019, Regie: Seamus Murphy) Foto: Salzgeber

Und aktuell ist mit “Conny Plank – The Potential of Noise“ eine weitere Musikdoku im Rahmen des Clubs zu sehen. In dieser nähert sich Conny Planks Sohn Stephan dem großen deutschen Klangvisionär und Produzenten, der nicht nur für den hiesigen Krautrock der Siebziger eine maßgebliche Figur war.

In seinem Studio in Neunkirchen-Seelscheid in der Nähe von Köln, einem umgebauten Schweinestall, empfing er damals auch internationale Popgrößen wie Ultravox oder Gianna Nannini. Sie alle wollten Planks ganz eigenen Sound und nahmen dafür die Mühe auf sich, mitten in die Pampa zu fahren.

Am lustigsten ist vielleicht die Stelle im Film, als die New Yorker Hip-Hop-Pioniere Whodini beschreiben, wie es sie damals, Anfang der Achtziger, als es sie von Brooklyn nach Neunkirchen-Seelscheid verschlug. Denn auch sie dachten sich, ihre Rapmusik aus dem Dschungel der Großstadt könnte keiner besser veredeln als der komische Deutsche vom Lande mit dem eigentümlichen Prinz-Eisenherz-Haarhelm.

Mädchen mit Widerstandskraft

Ein aktuelles Highlight im Club ist auch Sébastien Lifshitz' preisgekrönte Doku “Kleines Mädchen“ über die siebenjährige Sasha, die als Junge erzogen wurde, aber schon früh wusste, dass sie ein Mädchen ist. Der Film hatte seine Weltpremiere letztes Jahr bei der Berlinale. Ein Jahr lang durfte der französische Dokumentarfilmer Sasha begleiten. Lifshitz ist mit der Kamera dabei, als ihr von einer Therapeutin eine Geschlechtsidentitätsstörung attestiert wird. Und zeigt ein tapferes Kind, das trotz aller Widerstände in der Schule und beim Ballettunterricht weiter daran fest hält: Ich bin kein Junge, sondern ein Mädchen.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Der Film-Club

Stephan Plank: Conny Plank – The Potential of Noise

Sébastien Lifshitz: Kleines Mädchen

Beide im Salzgeber Club: salzgeber.de/club; jeden Donnerstag wird hier ein Film aus dem Salzgeber-Programm als VoD gefeaturet, danach stehen die Filme weiterhin auf Vimeo on Demand zur Verfügung.

Zu Sashas Glück wird sie mit aller Kraft von ihrer Familie unterstützt. Und so darf sie bald in ihren Mädchenschuhen zur Schule gehen und im Bikini an den Strand. Auch ihre Freundinnen an der Schule haben kein Problem damit, dass Sasha mädchenhaft auftritt. Nur viele der Erwachsenen kommen damit nur schwer klar.

Es gibt einige Momente in dem Film, da wünscht man sich auch für Sasha, dass die Dekonstruktion binärer Geschlechteridentitäten gesellschaftlich doch schon etwas weiter fortgeschritten wäre. Dass Sashas Kleidung von “Jungenkleidung“ zu “Mädchenkleidung“ umgestylt wird, von Hellblau auf Pink, was sich auch in ihrem Kinderzimmer samt Spielsachen bemerkbar macht, das fühlt sich in dieser Konsequenz auch wieder etwas komisch an. Sie scheint es so zu wollen. Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn auch Sasha als Mädchen mehr als nur die Farbe Pink zur Verfügung stünde.

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