Kino-Retrospektive auf Roland Klick: Der mit den Genres tanzt
Tarantino und Spielberg sind Fans, aber nur wenige kennen ihn. Jetzt widmet das Lichtblick-Kino Roland Klicks wütenden Genrefilmen eine Retrospektive.
Das Kino der alten Bundesrepublik ist eines der aufregendsten der Welt – entgegen seines Rufes, nur wenig zu bieten, was über museale Aspekte hinaus weist. Es ist ein Kino, das von den einen beansprucht und den anderen attackiert wurde, das mal dem Publikum, mal der Kritik hinterher rannte, das sich mal stickig in der Vergangenheit befangen zeigt – man war ja gerade erst aus dem Faschismus hervorgegangen – und mal die weite Freiheit suchte.
Als ein Kino der Widersprüche hat es vielleicht keine monolithischen Meisterwerke hervorgebracht, aber viel Kontext und Diskurse, die bis heute kitzeln. Als eine Filmgeschichte der fortlaufenden Vatermorde hat die Zeitung Die Welt die Filmgeschichte der alten Bundesrepublik vor Kurzem eingeschätzt.
Voll widerstrebender Energie sind die Filme des Regisseurs Roland Klick. Am 4. Juli 2019 wird er 80 Jahre alt, was den Berliner Kinos Lichtblick und Wolf eine Retrospektive wert ist – natürlich in Anwesenheit des Meisters.
Dass keine offizielle Kinemathek Klick würdigt, sondern kleine, mit Herzblut betriebene Programmkinos, ist symptomatisch: Längst ist Klick der Säulenheilige einer widerständigen Filmkultur von unten – in den 90er Jahren feierte ihn die Underground-Filmzeitschrift Splatting Image, das damals noch rumpelige „Filmgalerie 451“-Label machte den Verfemten in einer Werkedition neben Schlingensief zum Aushängeschild.
Heute adeln Liebhaber-Labels wie Subkultur Entertainment ihr Programm mit seinen Filmen. Berliner Maverick-Kinos holen den in Hamburg lebenden „Filmjunkie“, wie er sich selbst nennt, regelmäßig nach Berlin.
Irres Flirren
Von Anfang an kämpfte Klick gegen Widerstand. Vor den Kulissen schönster BRD-Tristesse erzählt sein Debütlangfilm „Bübchen“ (1968) von einem vernachlässigten Jungen, der grundlos seine kleine Schwester ermordet – eine in ruhigen Bildern gehaltene, aber umso wütender brodelnde Demontage des Wirtschaftswunder-Kleinbürgertums. Den damaligen Kritikern, aber auch der Konkurrenz aus dem Neuen Deutschen Film galt der Film als zu wenig psychologisch, zu spekulativ.
6.–10. Juli, Lichtblick-Kino, Kastanienallee 77 (Filmreihe) & 4.–7. Juli., Wolf Kino, Weserstraße 59 (Ausstellung)
„Deadlock“ (1970), Klicks wohl bekanntester Streich, ist ein in der israelischen Wüste in Sichtweite zu damaligen militärischen Konfliktlinien gedrehter, irre flirrender Krautrock-Western italienischer Machart, zu dessen glühenden Fans niemand Geringeres als der legendäre Regisseur Alejandro Jodorowsky gehört.
Wie Schakale umschleichen sich hier mitten im Nirgendwo zwei Bankräuber sowie der junge Mario Adorf als verlassener Tropf, der sich im festen Glauben, dass ihm das Glück endlich einmal zugezwinkert hat, ins Elend reißt.
Ganz viel Existenzialismus, ganz viel Verzweiflung – und die Band Can spielt dazu die angemessen pathetische, auf die 12 zielende Musik. Unterhaltungskino lautete damals der Vorwurf – nach Intrigen aus der Branche kam der Film nicht nach Cannes, wo er prominent laufen sollte. So erzählt das Klick zumindest heute.
Außenseiter im deutschen Filmbetrieb
Sein Film „Supermarkt“ handelt von einer Odyssee eines Gammlers durchs Hamburger Milieu zwischen Elendskneipe, Kunstschickeria und Polizeibude, der sich schließlich in einen Überfall auf den titelgebenden Supermarkt verstrickt. Während die alte Filmbranche auf St. Pauli noch spekulative Groschenheft-Filme fürs Bahnhofskino kurbelte, legte Klick mit der melancholischen Untergangsballade aus dem Jahr 1974 neben Klaus Lemkes „Rocker“ den zweiten definitiven Hamburg-Film vor.
Sechs Jahre, drei Meisterwerke, geboren in Schweiß und Tränen. Das mit den Tränen blieb Klick erhalten: Weiterhin angefeindet, wurde es für ihn beruflich schwieriger. Zum Fiasko geriet die Zusammenarbeit mit dem Filmproduzenten Bernd Eichinger: Ursprünglich für „Die Kinder vom Bahnhof Zoo“ vorgesehen, wurde Klick kurz vor Drehbeginn geschasst. Es folgte der Berliner Punkfilm „White Star“ mit einem sensationell zugekoksten Dennis Hopper, der den Film völlig an sich reißt und explodieren lässt – heute eine interessante Filmruine.
Sandra Prechtels schönes Filmporträt über Klick, „The Heart is a Hungry Hunter“, erzählt eindringlich von solchen Rückschlägen. Aber am besten hört man sich das alles selbst im Original an, wenn Klick im Lichtblick davon erzählt. Sein schalkisches Lachen, seine unbändige Energie, seine Lust am Erzählen hat er sich bis zuletzt bewahrt.
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
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