piwik no script img

Kindesentführung lohnt sich nicht

■ Das Verfassungsgericht entschied: Deutsche Mutter mußte ihr Kind in die Vereinigten Staaten zurückkehren lassen

Karlsruhe (taz) – Kindeswohl geht vor Elternrecht. Mit dieser Maxime begründete das Bundesverfassungsgericht gestern die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde einer Mutter und ihres siebenjährigen Sohnes. Die Frau hatte das von ihr aus den USA nach Deutschland gebrachte Kind behalten wollen.

Mutter und Vater wohnten ursprünglich gemeinsam in den USA. Dort wurde auch ihr Sohn Stephan geboren. Nachdem sich die Eltern vor zwei Jahren hatten scheiden lassen, erhielt zuerst die Mutter das Sorgerecht. Der Vater behielt jedoch die Möglichkeit, über den Aufenthalt des Kindes mitzuentscheiden. Über diese Rechte des Vaters setzte sich die Frau hinweg, indem sie im Dezember 1994 mitsamt dem Sohn in die Bundesrepublik ausreiste. Angeblich wollte sie nur vorübergehend in Deutschland bleiben, um ihre kranke Mutter zu pflegen.

Der Vater ließ sich daraufhin von einem Gericht im US- Bundesstaat Utah das Sorgerecht zusprechen und klagte vor deutschen Gerichten auf Rückgabe seines Sohnes.

Mit Erfolg, denn er konnte sich auf ein völkerrechtliches Abkommen stützen, das derartige Entführungen im Interesse der Kinder zu unterbinden versucht: das 1980 geschlossene „Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung“.

Maßgeblich für deutsche Gerichte war damit die Einschätzung des US-Gerichts, daß die „Entführung“ widerrechtlich gewesen sei. Hiergegen erhob die entschlossene Mutter Verfassungsbeschwerde. Doch eine mit drei RichterInnen besetzte Kammer des Verfassungsgerichts nahm die Klage erst gar nicht an, da „keine hinreichende Aussicht auf Erfolg“ bestehe. Das Haager Übereinkommen sei, so der Spruch aus Karlsruhe, verfassungskonform und auch im vorliegenden Fall von den Gerichten richtig angewandt worden. Der Anwalt von Mutter und Sohn, Theodor Goetze aus Viechtach (Bayern), protestierte gegen das Urteil: „Das Kindeswohl wurde gar nicht richtig geprüft, Stephan lag wegen Selbstmordgefahr im Krankenhaus.“ Inzwischen sei das Kind vom Vater in die USA gebracht worden, „ohne seiner Mutter adieu sagen zu können“. Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen