Kindertheaterstück unter Boykott: Angst vor sexueller Vielfalt
Einem Stück über ein schwules Känguru mangelt es an Zuschauern. Es sollte Toleranz vermitteln, aber Eltern fürchten eine verfrühte Sexualisierung.
Ein Theaterstück, das Kindern im Theater Baden-Baden einen feinfühligeren Umgang mit Homosexualität näherbringen will, wird nach zwölf Vorstellungen nicht in den neuen Spielplan übernommen – wegen fehlender Zuschauer. Grund dafür sind offenbar Eltern, die ihre Kinder vor vermeintlich verfrühter Sexualisierung bewahren wollen. „Wenn an der Kasse jemand anruft und hört, dass das Stück von einem schwulen Känguru handelt, kommt derjenige lieber nicht“, sagt Nicola May, Intendantin des Theaters.
„Ein Känguru wie du“ nach dem Kinderbuch des Schriftstellers und Regisseurs Ulrich Hub handelt von zwei Raubkatzen, die ihren Dompteur für schwul halten, weil er nicht verheiratet ist und viel Parfüm benutzt. Sie wenden sich von ihm ab und lernen das boxende Känguru Django kennen. Bald stellt sich jedoch heraus, dass ihr neuer bester Freund Django – und nicht der Dompteur – schwul ist.
Nicola May versteht die Proteste und den faktischen Boykott nicht: „In dem Stück geht es eigentlich nicht um Sexualität, sondern um Freundschaft, Toleranz und Vorurteile. Das Schwul-Sein ist nur ein Beispiel, an dem das Thema abgehandelt wird.“ Von der Presse und den wenigen Zuschauern, die es gesehen hätten, sei das Stück sehr gelobt worden. Nur blieben eben die Reihen oft leer.
Unter der grünen Regierung von Winfried Kretschmann ist sexuelle Vielfalt im Bildungsplan Baden-Württembergs zwar gewollt und mittlerweile auch durchgesetzt worden, doch Toleranz lässt sich offenbar nicht verordnen. Das findet auch Thomas Schindler. Ein wütender Vater, der das Stück zwar nicht gesehen, sich aber in einem Leserbrief im Badischen Tagblatt dazu geäußert hat. Der taz sagte er: „Wenn man Toleranz fordert, muss man auch die tolerieren, die ihre Kinder nicht in so ein Stück schicken wollen.“
Auch die Chefin des Gesamtelternbeirats Baden-Baden, Anemone Bippes, kann sich nicht vorstellen, „dass achtjährige, zehnjährige Kinder Kontakt mit Homosexuellen haben“. Warum also sensibilisieren?
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