„Kinderstube“ für arktisches Meereis: Transportstrom unterbrochen
Immer weniger frisches, vor Russland entstandenes Meereis gelangt in die zentrale Arktis. Die Folge ist, dass weniger Mineralien transportiert werden.
In den sogenannten russischen Randmeeren des Arktischen Ozeans entsteht dem Awi zufolge im Winter fortwährend Meereis, auch weil dort die Lufttemperaturen extrem niedrig sind – bis zu minus 40 Grad. Ein starker, ablandiger Wind schiebt dann das im Flachwasser gebildete junge Eis auf das Meer hinaus. Ein Teil dieses Eises wandert durch die Transpolardrift wie auf einem Förderband innerhalb von zwei bis drei Jahren einmal quer durch die zentrale Arktis bis in die Framstraße.
In diesem Seegebiet zwischen Grönland und Spitzbergen schmilzt es schließlich. Vor rund 20 Jahren erreichte noch etwa die Hälfte des in den Randmeeren gebildeten Eises die zentrale Arktis. Mittlerweile seien es nur noch 20 Prozent, schreiben die Forscher. Der Großteil schmelze vorzeitig.
Da immer weniger in den flachen Küstenzonen erzeugtes Meereis bis zur Framstraße gelangt, kommen dort auch immer weniger Schwebstoffe und Mineralien an, die beim Gefrieren des Wassers im Meereis eingeschlossen werden. Das zeigen Analysen, die Awi-Biologen seit zwei Jahrzehnten in der Framstraße durchführen.
Eis ist dünner als vor 15 Jahren
Mit dem vorzeitigen Schmelzen des Meereises sinken die Partikel früher ab. In den vom Awi aufgestellten Sedimentfallen in der Framstraße finde man immer weniger sibirische Mineralien, sagte Nöthig.
Die Forscher verfolgten die Wanderung des Meereises mithilfe von Satellitendaten aus den Jahren 1998 bis 2017. „Jenes Eis, welches heutzutage die Framstraße erreicht, wird zum größten Teil nicht mehr in den Randmeeren gebildet, sondern stammt aus der zentralen Arktis“, sagte Thomas Krumpen, ebenfalls Awi-Forscher. „Wir werden derzeit Zeuge, wie ein wichtiger Transportstrom abreißt und die Welt einem meereisfreien Sommer in der Arktis einen großen Schritt näherkommt.“
Bestätigt wird das Ergebnis der Studie durch Messungen der Meereisdicke in der Framstraße. „Eis, das heutzutage die Arktis durch die Framstraße verlässt, ist rund 30 Prozent dünner als noch vor 15 Jahren“, betonte Krumpen. Gründe dafür seien die steigenden Temperaturen im Winter und eine früher beginnende Schmelzsaison im Sommer.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen