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Kinder stimmen für McDoof

Erstmals wurden Schü­le­r:in­nen in Hemmoor Anfang des Jahres zur Stadtbebauung befragt – es sollte um ein geplantes Fastfoodrestaurant gehen. Der umstrittene Bau war da aber schon längst beschlossene Sache

Kompromissbereiter Protest: Hemmoors Fast-Food-Gegner*innen setzen nicht auf Fundamentalopposition Foto: Leo Schurbohm

Von Leo Schurbohm

Es ist das Zwitschern von Vögeln zu hören, Wildbienen und Libellen fliegen vorbei – und das im kühlen, etwas verregneten Oktober. Mitten in der Kleinstadt Hemmoor nördlich von Bremen liegt das Heidestrandbad, ein idyllischer See mit Strand, Volleyballnetz und Fußballfeld. Der See ist umgeben von Bäumen, sodass man hier von der Wohnsiedlung drumherum nichts mitbekommt. Nur ein paar Autos von der nahe liegenden Bundesstraße sind zu hören. An diesem Dienstagmorgen ist hier wenig los, zwei Angler sitzen am Seerand mit aufgeschlagener Zeitung und warten, dass ein Fisch anbeißt.

Schon bald könnte dieser Ort nicht mehr so schön und ruhig sein. In unmittelbare Nähe soll ein McDonald’s gebaut werden, direkt neben dem Schwimmbad. Am Donnerstag wird der Stadtrat Hemmoor über den „Auslegungsbeschluss zum Bebauungsplan“ entscheiden.

Hoffentlich dagegen, findet Heidi Stamm, Initiatorin der Bürgerinitiative „McDonald’s am Heidestrandbadsee: Nein Danke!“. Beim Spaziergang mit der taz am See erzählt sie, was sie befürchtet: „Dann ist der Erholungsort dahin, es wird laut, man wird den McDonald’s riechen, sehen und auch durch Müllverschmutzung bemerken.“ Ihre Initiative fordert, dass der McDonald’s stattdessen im Gewerbegebiet gebaut wird.

Auch wenn Stamm, wie sie sagt, privat ganz gegen McDonald’s ist, weiß sie, dass sich viele Be­woh­ne­r:in­nen über das geplante Fast-Food-Restaurant freuen. „Besonders für die Jugendlichen wird es ein attraktiver, warmer Treffpunkt werden“, sagt sie.

Den Standort kritisiert die Ini­tiative aber ausgerechnet auch gerade mit Blick auf die Jugendlichen in Hemmoor. Das Fast-Food-Restaurant soll nämlich mitten zwischen Jugendhilfeeinrichtungen gebaut werden: auf der einen Seite liegt ein Skate-Platz, auf der anderen der Badesee, das Schwimmbad und ein Jugendzentrum. Zudem führt für viele Kinder und Jugendliche ihr Schulweg am geplanten Standort vorbei. Besonders während der Mittagszeit ist das gut zu beobachten. Viele Kinder radeln vorbei und Schulgruppen laufen zurück zu ihren Klassenzimmern – „Sie kommen von ihren Schwimmstunden im Hallenbad“, erklärt Stamm.

Stamm sorgt sich besonders um die Verkehrssicherheit der Schü­le­r:in­nen. Mit dem McDonald’s, da ist nicht nur sie sich sicher, wird auch mehr Verkehr am Ort unterwegs sein.

Die Zufahrt zum Restaurant ist nicht auf Seiten der Bundesstraße geplant, sondern vom Bahnhofsweg, einer nicht besonders breiten Dorfstraße. An der Kreuzung gibt es bisher keine Ampel und ein Antrag der Grünen zum Bau einer solchen wurde abgelehnt. Zudem endet ein Radweg auf Höhe des Grundstücks, auf dem sich bald der McDonald’s befinden soll. Auf der Bahnhofstraße teilen sich die Fahr­rad­fah­re­r:in­nen also die Straße mit den Autos. Mit erhöhtem Verkehrsaufkommen mit der Fast-Food-Kette sieht Stamm das als Gefahrenstelle, auch für Schulbusse und Linienbusse, die täglich hier lang fahren.

Neben dem Verkehrsaufkommen sieht Stamm auch die Ernährung der Jugendlichen negativ durch den McDonald’s beeinflusst. „Bei einem Standort im Mittelpunkt von Jugendeinrichtungen werden diese schneller mal hingehen als im Gewerbegebiet“, befürchtet sie.

Ein Aktionsplan fürs Image

Die Stadt Hemmoor hat sich die Sorge um junge Leute eigentlich auf die Fahne geschrieben. Sie hat einen Aktionsplan „Kinderfreundliche Kommune“, in dem steht, dass jedes Kind ein Recht auf Gesundheit hat, wofür auch wichtig sei, dass Kinder in einer sicheren Umgebung aufwachsen und eine gesunde Ernährung erhalten. Stamm sieht das klar als Widerspruch dazu, dass die Stadt dahintersteht, genau an diesen Standort einen McDonald’s zu bauen.

Tobias Söhl, Fraktionsvorsitzender des Grünen-Ortsverbandes Hemmoor-Lamstedt sieht das ähnlich: „Hemmoor ist eher eine konzernfreundliche Kommune statt eine kinderfreundliche.“ Er kritisiert den geplanten Standort scharf.

Söhl hat außerdem ein Problem damit, wie die Stadt Kinder und Jugendliche in seinen Augen für den McDonald’s-Plan instrumentalisiert hat. Die Stadt Hemmoor hatte sich nämlich vorgenommen, die Kinder und Jugendlichen der Kleinstadt zu deren Meinung zum geplanten McDonald’s zu befragen.

Das versuchte sie Anfang dieses Jahres, es hat allerdings nicht so gut geklappt. Am Gymnasium stellten die Eltern sich dagegen. Es hätte keine Vorbereitung für die Schü­le­r:in­nen gegeben. Von der Haupt- und Realschule befragte die Stadt einige Jugendliche während eines Besuchs im Jugendzentrum. Insgesamt nahmen aber lediglich 94 Schü­le­r:in­nen an der Umfrage teil und die Fragestellung bezog sich nur darauf, ob die Jugendlichen Lust auf einen McDonald’s hätten oder nicht. Zwei Drittel stimmten bei der Befragung tatsächlich mit Ja ab, es gab auch einige wenige kritische Anmerkungen wie Angst vor Müllverschmutzung und vermehrtem Verkehr.

„Hemmoor ist eher eine konzernfreundliche Kommune als eine kinderfreundliche“

Tobias Söhl, Betriebswirt und Fraktionsvorsitzender des Grünen-Ortsverbandes Hemmoor-Lamstedt

An sich sei es ja eine schöne Idee, die Jugendlichen so an demokratische Prozesse heranzuführen, doch die Umsetzung und Anwendung lasse zu wünschen übrig, findet der Grüne Söhl. So wurden die Jugendlichen nicht gefragt, wie sie den Standort finden oder sonst irgendwie in den Prozess eingebunden. Ob der McDonald’s gebaut werden soll oder nicht, stand auch eigentlich schon fest – von einer wirklichen Beteiligung kann also nicht wirklich gesprochen werden.

Die Ratsbeauftragte für Kinder- und Jugendbeteiligung in Hemmoor, Anette Anders, hätte sich eine angemessene Beteiligung gewünscht. „Die Jugendlichen hätten auf alle Fälle mehr einbezogen werden müssen“, sagt Anders.

Bisher seien die Jugendlichen auch noch nie bei solchen Entscheidungen beteiligt gewesen, abgesehen von der Spielplatzbebauung, sagt sie. „Die Jugendlichen freuen sich natürlich, dass sie überhaupt gefragt werden.“ Für tatsächliche Beteiligung hätte sie sich aber auch gute Aufklärung gewünscht – etwa durch einen Besuch vor Ort, bei dem den Jugendlichen die Situation angemessen erklärt wird. „Kein Jugendlicher wird sich 350 Seiten Gutachten durchlesen“, sagt Anders, das sei einfach nicht gerecht aufbereitet. Hätten die Umfragen sich auch auf den Standort bezogen und wären die Schü­le­r:in­nen vorher über verschiedene Standpunkte aufgeklärt worden, könne sie sich vorstellen, dass die Ergebnisse kritischer ausgefallen wären. Warum die Jugendlichen ausgerechnet bei der McDonald’s-Frage mal eingebunden werden sollten, kann sie sich nicht erklären.

Der Bürgermeister der Samtgemeinde Hemmoor, Jan Tiedemann, sagt, dass es bei der Umfrage nicht um den Standort gehen konnte, „weil der Standort letztendlich nicht mehr diskutierbar war“. Ob es, wenn die Jugendlichen mehrheitlich gegen den McDonald’s gestimmt hätten, auch keinen gegeben hätte, könne er nicht beantworten.

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