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Kim KardashianIm 32. Semester Kimologie

Warum ist die Über-Influencerin Kim Kardashian so berühmt? Die Arte-Doku „Kim Kardashian Theory“ fragt nach. Sie fragt auch: Ist das Feminismus?

Das Forschungsobjekt in freier Wildbahn Foto: Arte

Die akademische Welt steht der Populärkultur bekanntlich eher skeptisch gegenüber. Einige Phänomene sind jedoch so groß, dass selbst Wis­sen­schaft­le­r*in­nen in ihren Elfenbeintürmen sie nicht ignorieren können. Erst kürzlich kündigte die Eliteuniversität Harvard an, Taylor Swift in den Lehrplan aufzunehmen. Kim Kardashian war gleich mehrmals Gegenstand einer Vortragsreihe. Initiiert wurde das „Kimposium“ von der „Kimologin“ Meredith Jones, Professorin für Kulturwissenschaften und Gender Studies an der Brunel University London.

Dass Kim und ihre Familie für reichlich Diskussionsstoff sorgen, ist keine Überraschung. Seit 16 Jahren verfolgen Menschen auf der ganzen Welt die sorgfältig inszenierten Dramen, Tränen und Intrigen des Kardashian-Clans in der Reality-Show „Keeping Up with The Kardashians“. Kim allein versammelt mittlerweile rund 365 Millionen Instagram-Follower*innen hinter sich. Mehr als die Vereinigten Staaten Ein­woh­ne­r*in­nen zählen.

Kim Kardashian Theory

Kim Kardashian Theory, jetzt auf Arte

Aber warum ist die Influencerin überhaupt so berühmt, wenn sie, so wirkt es auf den ersten Blick, doch eigentlich nichts macht?

Fast ein bisschen spät, könnte man sagen, beschäftigt sich nun auch der Kultursender Arte mit dieser Frage. Auf Metaebene versucht die Dokumentation „Kim Kardashian Theory“ eine Erklärung für Kims Erfolg zu finden. Neben der Expertise von Meredith Jones werden eine Reihe weiterer lebender und toter Wis­sen­schaft­le­r*in­nen zu Rate gezogen, einige naheliegender als andere. Von Émile Durkheim über Pierre Bourdieu bis Judith Butler ist alles dabei.

Privatleben als Geschäftsmodell

Anschaulich belegen sie, wie Kim Kardashian zum Katalysator für unsere Wünsche, Sehnsüchte und Träume geworden ist, eine „soziale Tatsache“, die zahlreiche gesellschaftliche Debatten des 21. Jahrhunderts widerspiegelt. Wie keine andere hat sie aus ihrem Privatleben ein Geschäftsmodell entwickelt, das nicht nur die Lust am Schauen befriedigt, sondern auch ein vermeintliches Versprechen enthält: Je­de*r kann heute darauf hoffen, berühmt zu werden.

Als Instagram 2010 ins Leben gerufen wurde, nutzten die Menschen die Plattform noch, um stark verpixelte Landschaftsbilder zu posten. Heute ist das Selfie aus dem sozialen Netzwerk nicht mehr wegzudenken. Den Kardashians sei Dank.

Hinter dieser Praxis steckt allerdings mehr als das bloße Bedürfnis, bewundert zu werden. Kim verstand es auch, nach der Veröffentlichung ihres Sextapes den eigenen Körper zurückzuerobern und die Regeln des Patriarchats zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie als „feministische Ikone“ zu bezeichnen, wie es Meredith Jones in der Arte-Dokumentation tut, aber greift zu kurz.

Kim Kardashian ist zweifellos eine clevere Geschäftsfrau. Ihr Unterwäschelabel Skims soll in diesem Jahr einen Umsatz von rund 750 Millionen Dollar erwirtschaftet haben. Aber sie ist auch ein Nepo-Baby, das dem Startkapital von Staranwalt und Vater Robert Kardashian in die Wiege gelegt wurde. Das gibt die 43-Jährige nur ungern zu und spricht in Interviews lieber darüber, dass heutzutage niemand mehr arbeiten wolle. Ein Schlag ins Gesicht für viele Schwarze, lateinamerikanische (oder auch bloß arme) Frauen, deren Kultur sich Kim gerne aneignet, und allenfalls Ausdruck eines weißen Girlboss-Feminismus, den man längst hinter sich geglaubt hatte.

Schönheits-Operationen

Was aber macht es mit einer Generation, die sich Kim Kardashian zum Vorbild nimmt, einer weiblichen Person, deren Erfolg in erster Linie von ihrem Äußeren abhängt? Mit Frauen, die einem Schönheitsideal nacheifern, das selbst auf der Couch aufrechterhalten werden muss, aber ohne Photoshop und Implantaten in diversen Körperteilen kaum zu erreichen ist? (Was Kim bis heute bestreitet.)

Antwort auf diese Fragen kann auch die Arte-Dokumentation nicht liefern. Doch wie sie betont, habe die Internet-Crowd den schönen Schein des Influencer-Daseins längst satt und sei weitergezogen.

Kim Kardashian hat sich ohnehin bereits neu erfunden. Derzeit studiert sie Jura, um das US-Justizsystem zu reformieren. Ob für die Likes oder nicht, man traut es ihr durchaus zu. Der Schritt vom Reality-TV in die Politik ist bekanntlich nicht weit. Donald Trump hat es bereits vorgemacht.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wer ist Kim Kardashian?

    • @Uns Uwe:

      Helfe gern & das Gute liegt nicht fern!

      Dieser Kiminologe - geh nicht fehl bei meiner Seel!



      Wird da gern kundig hilfreich sein!



      Na dann! Peter Unfried ist hier Ihr 💁‍♂️!



      Fein! “Peter Unfried ist Chefreporter und Kolumnist der taz und Chefredakteur von taz.FUTURZWEI, Magazin für Zukunft und Politik.



      Peter Unfried

      Peter Unfried, geboren 1963, ist Chefreporter und Kolumnist der taz und Chefredakteur von taz.FUTURZWEI, Magazin für Zukunft und Politik. Er studierte Kommunikationswissenschaften, Literatur und Amerikanistik in Stuttgart und Tübingen. Sein journalistischer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen ernsthafte Klimapolitik möglich wird, und auf einer dahingehenden Weiterentwicklung des politischen Journalismus.



      (& Däh!;) - 🙀🥳 -



      Er war Impulsgeber bei der Jahrestagung des Großen Konvents der Schader-Stiftung zum Thema „Willkommen in meiner Wirklichkeit“ am 3. November 2023.“



      www.schader-stiftu...ikel/peter-unfried



      Na sojet Impuls gibt sich! Gellewelle



      “Der Impuls ist eine physikalische Größe, die verwendet wird um die Bewegung eines Körpers zu beschreiben. Der Impuls beschreibt die Masse, die Richtung und die Geschwindigkeit eines Körpers. Beim Impuls wird der betrachtete Körper als Massepunkt angesehen.“

      kurz - Paschd scho! Newahr.



      Na aber Si’cher dat. Dat wüßt ich ever.



      Da mähtste nix!



      Normal •



      Deswegen singt der Kölsch aach so gern:



      “Kimse mal rüber Kimse mal rüber“ 🎶



      www.youtube.com/wa...IG1hbCByw7xiZXI%3D o.s.ä. - 🥹 -

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    and btw.: „Ist das Feminismus?“



    Es ist Kapitalismus.

  • Ach was! ©️ Loriot z 💯

    Hörnmer doch mal einen Aficionado aus beredtem 👄

    “Es gibt kein richtiges Leben, wenn man sich von Theodor W. Adorno kirre machen lässt. …



    Und damit zu Kim Kardashian.…



    Der entscheidende Grund, der Kim Kardashian zum Vorbild von Millionen (Milliarden?) macht, wird vermutlich nicht rational erfasst, aber intensiv gefühlt:



    Ihr Leben hat einen Sinn und ist in dem Sinn ein glückendes. Jetzt kann man den Sinn kritisieren: Er besteht darin, hot zu sein, famous zu sein und Geld zu verdienen, um shoppen zu gehen. Aber das Vorbildliche besteht nicht darin. Kardashian führt das Leben, das sie führen möchte. Das ist ein großes menschliches Glück, und dieses Glück strahlt sie offenbar auch aus.



    Während sie sich von Adorno absolut nicht kirre machen lässt, ist unsereins ständig uneins mit sich und von Adornos Satz gebremst, dass es kein richtiges Leben im falschen geben könne. Immer gleichzeitig unterwegs mit dem Bedürfnis, was „Schönes“ zu kaufen und der moralischen Geißelung dafür. Mit der gewaltigen Sehnsucht, schön zu sein und der schnippischen Weigerung, das Bedürfnis zu akzeptieren. Das kann weder Sinn ergeben noch Spaß machen.



    Also, damit hat der Mann wirklich ganz viel kaputtgemacht.



    Von Kim Kardashian kann man lernen: Es gibt kein richtiges Leben, außer dem Leben, das wir führen. Führen wir es richtig, also konsistent, besteht sogar die Chance, auf das große Falsche einzuwirken. Oder trotzdem viel davon zu haben. Führen wir es mit Adorno im Nacken, geht gar nichts. Dann kriegen wir weder das Shoppen richtig hin noch die sozialökologische Transformation (damit das auch gesagt ist). Dann ist unser einziger Trost, dass wir nicht so schlimm wie andere sind.



    Nicht das Kim-Kardashian-Leben ist das Falsche, sondern das Leben als Kim-Kardashian-Hasser. Oder Prenzlauer-Berg-Hasser. Oder CSU-Hasser.



    Es führt zu nichts. Es holt nur das Schlechteste aus uns heraus.“



    Keine eine eine Frage •



    taz.de/Kolumne-Die-eine-Frage/!5242762/

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      War einmal ein Hasser-Hasser,



      Im Zivilstand Text-Verfasser…



      Und er schrieb im Zeilenschritt



      Immer mit den Zeiten mit.



      ---



      Sparte nie mit Lorbeerkränzen,



      Lobte selbst das Influencen,



      Rühmte, das sei echtes Leben –



      Und lag doch so oft daneben.



      ---



      Mühsam hämmert er auch Nieten –



      Nun, wer wollte das verbieten? -



      In Kolumnen dieser Presse.



      Manchmal denk ich: „Rafinesse"?

      • @95820 (Profil gelöscht):

        anschließe mich - keine Petitesse: schlau



        „Schnöseldeutsch ist die Haltung, durch verkorksten Ausdruck den Eindruck von Raffinesse machen zu wollen.“



        de.wiktionary.org/wiki/Raffinesse



        Ferkel zu - Winnie the Pooh =>



        🐷 “Kaninchen ist schlau!“ -



        🐻 - “Hmm. Deswegen versteht es auch nix.“



        A. A. Milne. Winnie-the-Pooh -



        & auch schön -



        Mal wieder - über Bande von meinem Mitschüler - dem Jung von der Apotheke am Lindenplatz -



        Erich Mühsam zu hören. Danke. Ernst=>



        Ernst Busch: Der Revoluzzer (Der Lampenputzer) von Erich Mühsam -



        www.youtube.com/wa...V2b2x1enplcg%3D%3D

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @95820 (Profil gelöscht):

        @LOWANDO

    • @Lowandorder:

      Besser als der eigentliche Artikel, danke! :-)