Kiels CDU torpediert Stadtbahn-Pläne: Weiter mit Bus und ohne Bahn
Die CDU Kiel will die Einführung einer Stadtbahn nicht mehr unterstützen, dabei wurde parteiübergreifend geplant. Das Geld werde anderswo gebraucht.
Zwar sind die kurzfristigen Folgen dieser Entscheidung überschaubar – langfristig aber könnte dem Projekt damit das Aus drohen. „Das zeugt von mangelnder politischer Verlässlichkeit und führt dazu, dass sich die CDU nun nicht länger auf der Basis gutachterlicher Empfehlungen bewegt“, kritisiert Matthias Edeler von der Bürgerinitiative „Tram für Kiel“.
„Wir lehnen die Stadtbahn nicht ab, aber solange nicht wichtige Fragen geklärt sind, können wir den Planungen nicht mehr zustimmen“, betont hingegen der Kieler CDU-Vorsitzende Tobias von der Heide. Der CDU sei schleierhaft, wie die Stadt das Projekt finanzieren wolle. „Wir stehen schon jetzt unter kommunaler Finanzaufsicht und benötigen in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro für den Schulbau“, sagt von der Heide. Woher das Geld für die Wiedereinführung der Tram, die insgesamt auch eine Milliarde kosten würde, dann noch stammen soll, sei völlig unklar.
Derzeit laufen die Planungen, die auf einer Grundlagen- und einer Trassenstudie aufbauen. Demnach könnten vier neue Linien auf einer Länge von 36 Kilometern entstehen. Sie würden das Stadtzentrum mit dichter besiedelten Stadtteilen verbinden, etwa mit der nicht nur verkehrlich abgehängten Großwohnsiedlung Mettenhof. Ab 2028 soll mit dem Bau begonnen werden, 2034 soll die erste Linie fertiggestellt sein.
Die CDU stört nicht nur die Frage der Finanzierung
Angesichts des in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen Verkehrs, so ergab die Grundlagenstudie, sei eine Tram die bessere Lösung als ein weiterer Ausbau des Busverkehrs. Der nämlich ist der einzige ÖPNV in Kiel, seitdem 1985 nach rund einem Jahrhundert die letzte Straßenbahn durch die Stadt rollte.
Die CDU bekümmert allerdings nicht allein die Finanzierung, sondern sie äußert in ihrer Resolution weitere Zweifel am Projekt: So seien angrenzender Einzelhandel und andere Betriebe während der langen Bauphase in ihrer Existenz bedroht; am Stau in der Innenstadt werde eine Stadtbahn nichts ändern, weil dafür vor allem auswärtiger Verkehr verantwortlich sei. Die Einführung einer Stadtbahn sei „nicht die Antwort auf alle verkehrspolitischen Herausforderungen“.
Zwar nicht überraschend, aber umso enttäuschender finden die Aktivist:innen von „Tram für Kiel“ den CDU-Schwenk: Es wurde doch schließlich 2022 – auch von der CDU angestrengt – ein fraktionsübergreifender Nahverkehrsfrieden geschlossen, der besagt, dass man sich gemeinsam hinter die gutachterlichen Empfehlungen stellen und die Tram nicht zum Wahlkampfthema machen werde. „Die Vereinbarungen und Versprechen des Nahverkehrsfriedens verlieren für die CDU offensichtlich jeden Wert, sobald OB-Wahlen am Horizont auftauchen“, sagt Edeler im Hinblick auf die am Jahresende anstehende Kieler Oberbürgermeisterwahl.
Kiels CDU stellt sich gegen ihren Landesvorsitzenden
Dieses Amt bekleidet bislang noch Ulf Kämpfer. Der SPD-Politiker will die Entscheidung der CDU nicht zu hoch bewerten, aber hätte sich auch „mehr Mut und Vertrauen gewünscht“. Die Stadtverwaltung und die anderen Fraktionen wollten schließlich auch eine solide Finanzierung, ebenso eine enge Einbindung der betroffenen Anlieger:innen. Tatsächlich sei die Finanzierung, besonders die Höhe der Förderung vom Bund und vom Land Schleswig-Holstein noch offen, aber: „Wir können das zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht wissen.“ Das würde sich ohnehin erst zum Baustart 2028 konkretisieren.
Eine erst im Dezember abgeschlossene Absichtserklärung mit der – wohlgemerkt – CDU-geführten Landesregierung, verbunden mit einem 4,5-Millionen-Planungszuschuss, ist aber für Kämpfer ein deutliches Zeichen, dass Kiel mit Unterstützung rechnen könne.
Auf diesen CDU-internen Widerspruch weisen auch die „Tram für Kiel“-Aktivist:innen hin: „Erstaunlich ist, dass sich die CDU Kiel damit klar gegen ihren Landesvorsitzenden Daniel Günther stellt.“ Sollte der sich aber künftig auf die Seite seiner lokalen Parteikolleg:innen stellen und die Unterstützung einstellen, stünde das Aus schnell fest.
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