Euro – nix freuro: Ketchup plus 100 %
■ Beim „Eurofon“ staut sich die Wut
Bügelglatte Scheine, blinkende Münzen, lächelnde Zentralbankpräsidenten: Ein Monat Euro und alles ist schöner geworden – bis auf die Preise. Was Otto Eurobezahler bislang mangels Statistik nur ahnen konnte, weiß ein Mann in Bremen ganz genau: Die Euro-Wut geht um. Heiko Meyer ist der Bremer, der am „Eurofon“ der Verbraucherzentrale die Sorgen und Nöte der Währungsumgestellten ganz genau mitbekommt.
Bis zu 30 Anrufe von bisweilen erbosten Bezahlern erhält Meyer in einer Zwei-Stunden-Schicht. Manche Bezahler sind ganz schön sauer: „Einige wollten schon Flugzettel vor Geschäften verteilen, die zu teuer geworden sind“, sagt Meyer. Vor Jahresfrist ging es am „Eurofon“ um Umtauschgebühren, Auslandsreisen über Neujahr oder die Umstellung von Mietverträgen. Inzwischen häufen sich die Klagen über dreiste Preissteigerungen, vor allem beim Einzelhandel.
Ein Lebensmittelladen in der Vahr verlangte vor Jahreswende für einen Kohlrabi 1.20 Mark – jetzt kostet er einen Euro. Aufschlag: fast sechzig Prozent. Noch unverblümter eine Im-bissbude in Bremerhaven: Meyer vermeldet saftige Preisaufschläge ab 24 Prozent bei Pommes Frites, Brat- und Currywurst: „Beim Ketchup hat der Besitzer einfach aus dem Pfennig- denselben Centbetrag gemacht – also fast 100 Prozent mehr.“
Gerade bei den Kleckerbeträgen hatten einige Händler kein Erbarmen: Ob Sechskornbrötchen oder Lakritze – die Preise stiegen. Wie bei dem Sechserpack Eier vom Bremerhavener Wochenmarkt, die seit Neujahr nicht mehr 1.80 Mark sondern einen glatten Euro kosten (plus 8,3 Prozent).
Aber nicht nur die Kleinen sahnen ab: So erhöhte die Bundesbahn den Preis für ein Monats-Studententicket von Bremen nach Hamburg mir nichts dir nichts von 405 auf 420 Mark. Meyer: „Macht drei bis vier Prozent Aufschlag.“
Bei besonders dreisten Fällen forscht die Verbraucherzentrale selber nach. Etwa wenn eine Großbank die Euro-Umstellung stillschweigend für eine Aufrundung des Bausparvertrags um fast 1.000 Euro genutzt hat. Natürlich ist der geneppte Verbraucher meist machtlos. „Viele fragen: Dürfen die das?“, erzählt Meyer. Sie dürfen. Meyer rät: „Einfach preisbewusster an den Kauf rangehen, vergleichen lohnt sich.“ ksc
Das „Eurofon“ ist montags bis freitags von 10 bis 18, samstags von 10 bis 14 Uhr geschaltet. Tel.: 018 03 / 25 80 00. Neun Cent pro Anruf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen