Keine Volksabstimmung in Katalonien: Unabhängigkeitsfans sind abhängig
Volksabstimmungen sind nicht delegierbar, sagt Spaniens Ministerpräsident Rajoy. Die Katalonen dürfen nicht über ihre Unabhängigkeit bestimmen.
MADRID taz | Es war ein klares „Nein“, mit dem die Debatte im spanischen Parlament über eine mögliche Volksabstimmung für die Unabhängigkeit Kataloniens am Dienstag kurz vor Mitternacht endete. 86 Prozent der Abgeordneten stimmten gegen den Antrag, den drei Vertreter des Regionalparlamentes aus der nordost-spanischen Autonomie eingebracht hatten.
Die Vertreter der in Katalonien regierenden konservativen Nationalisten von Convergència i Unió (CiU), der separatistischen Republikanischen Linken (ERC) und der ökosozialistischen Initiative für Katalonien/ Die Grünen (ICV) wollten erreichen, dass die Zentralregierung in Madrid das Recht, einen Volksentscheid abzuhalten, an die Autonomieregierung delegiert.
Die Verfassung ließe das nicht zu, denn „das Recht, über die Zukunft zu entscheiden, hat das gesamte spanische Volk und nicht ein Teil davon“, sagte der mit absoluter Merheit regierende, konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy und erteilte der Anfrage eine Abfuhr. Die Kompetenz, Volksabstimmungen abzuhalten sei laut Grundgesetz deshalb nicht delegierbar. Daran könnten auch Demonstrationen nichts ändern, fügte er hinzu.
„Als Präsident bin ich verpflichtet, das Gesetz zu respektieren. Bitten Sie mich nicht, das nicht zu tun. Bitten Sie mich um etwas anderes,“ sagte Rajoy und fügte hinzu: „Ich glaube mehr an Katalonien als Sie. Ich liebe Katalonien wie etwas eigenes“, richtete er sich an die angereisten Katalanen. Diese wollten ihre Heimat mit der Unabhängigkeit zu so etwas wie „die Insel von Robinson Crusoe“ machen.
Das Gesetz als oberstes demokratisches Prinzip
In den vergangenen Jahren ist die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien ständig gewachsen. Angeführt wird sie von einer Bürgerinitiative unter dem Namen Katalanische Nationalversammlung (ANC). In mehr als der Hälfte der Dörfer und Städte der Region wurden symbolische Volksabstimmungen über die Unabhängigkeit abgehalten. Die Autonomieregierung hat für den 9. November eine Volksabstimmung angesetzt. Und genau dafür wollte das Bündnis aus der Region die Zustimmung aus Madrid.
Doch auch der Sprecher der Sozialisten, Alfredo Pérez Rubalcaba, erteilte dem Anliegen der Katalanen eine klare Absage. „Das Gesetz zu beachten ist das oberste demokratische Prinzip“, lautete sein Argument. „Spanien ohne Katalonien ist etwas anderes, Spanien ist es dann jedenfalls nicht mehr.“ Er bot den Politikern aus der wirtschaftsstarken Region einen Dialog an, um gemeinsam die spanische Verfassung föderaler zu machen.
Die Angereisten waren auf das „Nein“ vorbereitet. Abzustimmen sei „einfach, rechtmässig und verfassungskonform“, sagte die ERC-Vertreterin Marta Rovira. Die Abstimmung sei die Hoffnung Kataloniens. „Niemand kann uns diese nehmen. Auch Sie nicht. Wir werden wählen, und wir werden die Zukunft gewinnen“, sagte sie. „Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist“ zitierte der CiU-Vertreter Jordi Turull einen Satz, der Nelson Mandela zugeschrieben wird. Es gäbe keinen Weg zurück. Der Konflikt habe zwei mögliche Lösungen, „eine demokratische und eine autoritäre“, sagte der Sprecher der ICV Joan Herrera. Die autoritären Lösungen „sind nicht von langer Dauer, wenn es eine gesellschaftliche Mehrheit für die Volksbefragung gibt“, so der Ökosozialist.
Kaum war die Abstimmung in Madrid vorbei, trat in Barcelona der Chef der katalanischen Autonomieregierung, Artur Mas, vor die Presse. Die katalanischen Institutionen würden „einen legalen Rahmen suchen, um die Abstimmung durchzuführen“, erklärte er. Mehre Szenarien sind denkbar. Zum einen arbeitet die Regierung Mas in Abstimmung mit der ANC an einem katalanischen Gesetz für eine Volksbefragung. Sollte dieses – wie zu erwarten – vom spanischen Verfassungsgericht gekippt werden, könnte Mas vorgezogene Neuwahlen ausrufen. Die nationalistischen Parteien würden dann nur mit dem Programmpunkt „Unabhängigkeit für Katalonien“ antreten. Erhalten sie eine Mehrheit, wäre dies der erste Schritt zur einseitigen Loslösung von Spanien.
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