Keine Sicherheit vor Terror: Zehn Jahre Aufschub für alte Akws

Der Schutz gegen Flugzeugabstürze kommt wohl erst viel später als die geplante Laufzeitverlängerung. In Biblis reicht schon ein Kleinjet zur Katastrophe.

Kann einem Jet nicht widerstehen: Akw Biblis. Bild: ap

BERLIN taz | Die erhöhten Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke, die die Bundesregierung parallel zur Laufzeitverlängerung plant, sollen zum Teil erst mit deutlicher zeitlicher Verzögerung in Kraft treten. Wie die taz aus Regierungskreisen erfuhr, würden alte Atomkraftwerke dann noch zehn Jahre ohne Schutz gegen Flugzeugabstürze weiterlaufen.

Bisher sind acht der deutschen Reaktoren praktisch nicht gegen den Aufprall größerer Flugzeuge geschützt. Dies gilt als Risiko - vor allem seit den Anschlägen vom 11. September, bei denen Terroristen große Passagiermaschinen als Waffe benutzten. Am Wochenende war bekannt geworden, dass Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) einen Schutz künftig vorschreiben will.

Allerdings ist dabei offenbar eine lange Übergangsfrist vorgesehen. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass der Schutz gegen Flugzeugabstürze erst "zehn Jahre nach Inkrafttreten" des Gesetzes vorgeschrieben ist. Zudem fällt er weniger stark aus als zuvor gemeldet: Bei der Kerosinmenge, die bei einem Absturz verbrennen kann, würde sich der Schutz zwar am Passagierflugzeug A 320 orientieren.

Einem direkten Aufprall einer solchen Maschine sollen die Betonhüllen der Reaktoren hingegen nicht standhalten müssen; hier werden kleine Flieger zugrunde gelegt. Zudem ist selbst der A 320 vom Gewicht her zehnmal kleiner als die größte Passagiermaschine, der A 380. Eine Klagemöglichkeit von BürgerInnen wegen fehlenden Terrorschutzes schließt der Gesetzentwurf nach taz-Informationen explizit aus.

Für die neuen Sicherheitsauflagen ist ein eigener Gesetzentwurf vorgesehen. Weil die Umsetzung in der Verantwortung der Bundesländer liegt, wird dieser auf jeden Fall der Zustimmungspflicht im Bundesrat unterliegen.

Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hatte Ende 2002 in zunächst geheimer Studie die Flugzeugabsturzsicherheit der deutschen Atomkraftwerke untersucht. Den gezielten Absturz eines "großen Flugzeuges" wie des A 340 oder der Boeing-747 würden demnach nicht einmal die neuesten Reaktoren überstehen. Bei den Atomkraftwerken Biblis A, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Neckarwestheim 1, Philippsburg 1 und Unterweser drohe dagegen schon beim Aufprall eines "kleinen Flugzeuges" wie des A 320 eine Kernschmelze.

Selbst die mit einer dickeren Betonhülle versehenen Atomkraftwerke Krümmel, Gundremmingen B und C hätten mit einer "lokal begrenzten Durchdringung des Reaktorgebäudes" zu rechnen. Bauliche Verbesserungen seien schwierig, warnte die Gesellschaft für Reaktorsicherheit.

Der Neubau einer Betonhülle sei "auf jeden Fall nicht trivial", sagt Christoph Pistner vom Öko-Institut Darmstadt. So müssten die Fundamente stabil genug sein, angrenzende Gebäudeteile stünden im Weg, und auch Fragen wie Statik und Erdbebensicherheit wären neu zu klären. Offenbar deshalb will die Regierung nun lediglich die Gefahr durch Kerosinbrände verringern.

Der frühere Leiter der Bundesatomaufsicht, Wolfgang Renneberg, wies gegenüber der taz darauf hin, dass für mögliche Nachrüstungen bisher kein Konzept vorliege. Aussagen zu möglichen Kosten seien daher Spekulation. Bis ein Konzept erstellt, genehmigt und umgesetzt sei, gingen "mindestens fünf Jahre" ins Land - und solange die Reaktoren weiterlaufen dürften, hätten die Konzerne keinen Druck, die Maßnahmen umzusetzen.

Selbst die atomfreundlichen CDU-Landesregierungen von Baden-Württemberg und Hessen räumen intern "sicherheitsrelevante Unterschiede" ein, die sich nicht beheben lassen, weil "durch die bestehende Anlagenkonzeption den Nachrüstungen Grenzen gesetzt" sind. So steht es im "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie", das die damaligen Ministerpräsidenten Koch und Oettinger vor einem Jahr, drei Tage nach der Bundestagswahl, nach Berlin schickten.

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