Keine Regelung bei der Beamten-Kennung: Polizisten bleiben oft anonym
In vielen EU-Ländern tragen Polizisten im Streifendienst ein Namensschild. Deutschland hinkt laut einer Studie bei der Kennzeichnung hinterher.
Deutschland liegt im Vergleich mit anderen EU-Ländern bei der Kennzeichnung von Polizisten im Alltag weit hinten. Das geht aus einer Studie hervor, die der Wissenschaftliche Parlamentsdienst (WPD) im Auftrag der Linkspartei-Bundestagsfraktion ausgearbeitet hat. Für das Papier, das der taz vorliegt, hat der WPD die Parlamente von 21 EU-Mitgliedsstaaten zur Kennzeichnungspraxis befragt.
In den meisten anderen EU-Staaten funktioniert die persönliche Kennzeichnung der Polizeikräfte im täglichen Dienst offenbar problemlos, lautet das eindeutige Ergebnis. In Belgien etwa tragen die Beamten an der Uniform ein Namensschild, auf dem auch gleich die Dienststelle vermerkt ist. Ebenso in Frankreich, wo zusätzlich ein Lichtbild enthalten ist.
In Großbritannien ist die Kennung regional unterschiedlich gestaltet, jedoch grundsätzlich üblich. Die Italiener tragen eine sichtbare Dienstnummer und die Niederländer einen Ausweis, der jedoch nicht offen getragen werden muss.
Dabei handelt es sich jedoch um Kennzeichnungen im täglichen Dienst, etwa bei Polizisten, die in ihrem Viertel Streife laufen. Keine Kennzeichnung gibt es in den meisten Ländern bei "geschlossenen Einsätzen", beispielsweise also bei Demonstrationen, auf denen Polizisten Schutzmontur tragen. Nur Estland, Litauen und die Tschechische Republik kennzeichnen ihre Beamten auch hier, sodass Übergriffe von Polizisten auf Demonstranten über Videos zugeordnet und verfolgt werden können. In Deutschland ist eine solche verpflichtende Kennzeichnung seit Jahren umstritten.
"Keine sachliche Notwendigkeit"
Im November 2010 hatte die Bundesregierung erklärt, sie sehe dafür "keine sachliche Notwendigkeit". Ähnlich sehen das die meisten Bundesländer, in deren Zuständigkeit die Polizei fällt. In Thüringen wurde ein entsprechender Antrag vor rund vier Monaten mehrheitlich abgelehnt; keine Notwendigkeit wird auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und anderen gesehen.
Immerhin ist die Kennzeichnung im Streifendienst in manchen Ländern üblich: In Rheinland-Pfalz tragen Polizisten im täglichen Dienst ein Namensschild, das sie jedoch in ihnen brisant erscheinenden Situationen eigenverantwortlich abnehmen dürfen. Ähnlich ist es nach Auskunft des Innenministeriums in Hessen. In beiden Fällen ausgenommen sind die heiklen geschlossenen Einsätze.
In Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern können Polizisten im Streifendienst freiwillig ein Namensschild tragen. Schlechte Erfahrungen habe man damit bisher nicht gemacht, heißt es im Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern.
Nur zwei Bundesländer wollen ihre Beamten verpflichten, auch auf Demos Kennungen zu tragen: Brandenburg und Berlin. In Brandenburg hat die rot-rote Regierung dies in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, in Berlin ist die verpflichtende Kennzeichnung beschlossen, aber noch nicht umgesetzt. Nach längerem Tauziehen hatte sich der rot-rote Senat der Hauptstadt auf einen Kompromiss geeinigt, wonach ein Schild auf der Vorderseite mit Namen, auf der Rückseite mit Dienstnummer versehen wird. Es kann von den Beamten zwar umgedreht werden, der Einzelne bleibt aber erkennbar.
"Einige wenigen Einzelfällen"
Bis Deutschland bei der Kennzeichnung im Streifendienst und auf Demos mit anderen EU-Staaten gleichgezogen haben wird, wird es also wohl noch eine Weile dauern. Nur Österreich liegt noch weiter zurück. Dort existiert ein Dienstausweis, der nur auf Verlangen vorzuzeigen ist.
Bei seiner Umfrage wollte der WPD auch wissen, ob die Einführung der persönlichen Kennzeichnung zu einem "Anstieg unberechtigter Anschuldigungen gegen Polizeibeamte oder gar zu persönlichen Übergriffen auf diese" geführt habe. Lediglich aus Spanien kam hierzu die Rückmeldung von "einigen wenigen Einzelfällen" dieser Art. Damit ist ein zentrales Gegenargument deutscher Polizeigewerkschafter und Politiker wohl entkräftet.
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