Keine Posten mehr für CDU-Abweichler: Kauder droht und erntet Kritik
Volker Kauder erntet scharfe Kritik, weil er Abweichlern bei der Griechenland-Abstimmung gedroht hat. Eine Sprecherin versucht zu relativieren.
Bei der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Kreditprogramm Mitte Juli hatten 60 Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gefolgschaft verweigert und mit Nein gestimmt. Fünf weitere enthielten sich. Die Verhandlungen wurden dennoch mit dem nötigen Stimmenanteil gebilligt.
Kauder sagte der Welt am Sonntag: „Diejenigen, die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuss.“ Die Fraktion entsende Kollegen in Ausschüsse, „damit sie dort die Position der Fraktion vertreten“.
„Eine solche Drohung beeindruckt mich überhaupt nicht“, sagte von Stetten dazu der Bild-Zeitung (Montagsausgabe). Zugleich kündigte der Finanzexperte weiteren Widerstand gegen die Rettungspolitik an: „Kein einziges neues Argument für weitere Griechenlandmilliarden ist präsentiert worden“, kritisierte er. Er bleibe „selbstverständlich“ bei seiner ablehnenden Haltung.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Detlef Seif, Mitglied im Bundestagsausschuss für EU-Angelegenheiten, sagte dem „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe): „Wenn diejenigen, die in der Unionsfraktion aus gewichtigen Gründen eine abweichende Meinung vertreten, bestraft werden, schadet das dem Klima und der Zusammenarbeit in der Fraktion.“
„Stimmvieh der Parteiführung“
Der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt, der dem Haushaltsausschuss angehört, sprach im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montagsausgabe) von einem „sehr, sehr fragwürdigen Vorgehen“. „Es kann nicht sein, dass man nur noch Stimmvieh der Parteiführung ist“, kritisierte er. Der Bild sagte Mattfeldt, Kauder habe „die Meinungsfreiheit, die im Grundgesetz für Abgeordnete fest verankert ist, mit Füßen getreten“.
Noch schärfere Töne schlug der CDU-Abgeordnete Alexander Funk an. „Die Einlassungen von Volker Kauder sind für jeden Vertreter der parlamentarischen Demokratie erschreckend und beschämend“, sagte Funk der Bild. Schon 2013 habe Kauder unliebsame Abgeordnete abgestraft. Jetzt solle diese Methode offenbar zum Prinzip der Unionsfraktion werden.
Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch, der in der Vergangenheit gegen die Hilfskredite an Griechenland gestimmt hatte und nach der Bundestagswahl 2013 nicht mehr in den Haushaltsausschuss entsandt wurde, sagte Spiegel Online am Sonntag: „Das ist doch wenigstens ein ehrliches Wort! Nach der Neuwahl 2013 wurde immer noch behauptet, unser Rausschmiss aus dem Haushaltsausschuss hätte mit unserem Abstimmungsverhalten nichts zu tun.“
Drohungen und Sanktionen
Die CDU-Abgeordnete Veronika Bellmann sagte der Bild, es sei „legitim“ und angebracht, dass ein Fraktionschef versuche, „seine Truppe zusammenzuhalten“. „Aber Drohungen und Sanktionen stehen nicht in der Fraktionsordnung“, fügte Bellmann hinzu.
Der CDU-Abgeordneten Heribert Hirte sagte dem Tagesspiegel, Kauders Ansage sei „schlecht für die interne Diskussionskultur“. Die dem EU-Ausschuss angehörende CDU-Abgeordnete Ursula Groden-Kranich sagte dem Blatt: „Ich gehe davon aus, dass wir eine demokratische Partei sind und anderslautende Meinungen akzeptieren.“
Der CSU-Wirtschaftspolitiker Michelbach sagte der Welt: „Ich glaube, Volker Kauder wird bei nochmaligem Nachdenken bemerken, dass sein Gedanke nicht zielführend ist.“ Laut Stadt-Anzeiger sagte ein Mitglied der Unionsfraktionsführung über Kauder: „Offenbar liegen die Nerven blank. Er greift zum letzten Mittel“.
Eine Fraktionssprecherin versuchte offenbar, den Konflikt zu entschärfen. Kauder habe nicht die Absicht, Abgeordnete aus wichtigen Ausschüssen abzuziehen, sagte sie dem Tagesspiegel und relativierte damit die früheren Äußerungen des Fraktionschefs.
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