: Keine Oster-Ruhe bei der Union
■ CDU und CSU streiten weiter: über eine Große Koalition, über Kohls Kronprinzen Schäuble, über die Europapolitik. Die Sozialdemokraten sind unverändert im demoskopischen Aufwind
Hamburg (taz/dpa) – Der Streit um die Ökosteuer ist noch nicht vergessen, da fliegen in der Union schon wieder die Fetzen. Die CSU stellte über Ostern die von Regierungschef Helmut Kohl gewünschte Kanzlernachfolge von CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble (CDU) in Frage. Dies wertete Fraktionsvize Heiner Geißler (CDU) als Angriff von „strukturreaktionären Leuten aus der CSU“. Gleichzeitig legte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) bei seiner Forderung nach einem neuen Bonner Europaminister nach. Die Spitzen der beiden Schwesterparteien wiesen neue Spekulationen über eine große Koalition zurück.
Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Ingo Friedrich betonte, wenn die Frage der Kanzlernachfolge anstehe, „wird die CSU ein entscheidendes Wort mitsprechen“. Fragen nach der „Kronprinzenrolle“ Schäubles seien nicht aktuell. Der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Dieter Breitschwert sagte: „In der CSU gibt es wachsende Vorbehalte, Schäuble als den geeigneten Nachfolger des Kanzlers zu sehen.“
Stoiber bekräftigte in der ARD- „Tagesschau“ am Samstag abend, die Europapolitik sollte künftig aus der Außenpolitik ausgelagert und ein Innenpolitiker damit betraut werden. Sowohl Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) als auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Lamers (CDU), warnten Stoiber vor „falschen Signalen“ und „schädlichem“ Vorgehen vor den Wahlen.
Eine große Koalition in Bonn hält CDU-Chef Kohl für „abwegig“. Der CSU-Vorsitzende Waigel sagte, ein Regierungsbündnis mit der SPD wäre der „kollektive politische Selbstmord“ der CDU/ CSU. Beide Parteien könnten dabei – wie schon bei der Großen Koalition von 1966 bis 1969 – nur verlieren. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts dimap/ Infratest sprachen sich 35 Prozent der Befragten für eine solche Koalition von CDU/CSU und SPD aus.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Johannes Rau warnte seine Partei vor jeglichem Koalitionswahlkampf. Die Sozialdemokraten sollten im Wahlkampf weder Rot-Grün noch eine große Koalition ansteuern.
Die derzeit positive Stimmung für die SPD ist nach Ansicht des Chefs des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, stärker als vor der Bundestagswahl 1994. Im Süddeutschen Rundfunk sprach Güllner von einer Grundstimmung für einen politischen Wechsel in Bonn. Selbst im Lager der Union seien jetzt viele der Ansicht, daß es nach 16 Jahren Kanzlerschaft Helmut Kohls eigentlich reiche. „Der Vorsprung der SPD vor der CDU war in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie so groß.“ Der SPD würden nach den Forsa-Umfragen derzeit 44 Prozent der Wähler ihre Stimmen geben, die CDU erhielte 34 Prozent.
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