: Keine Lust auf trübe Tassen
Es wird immer enger für Frank Steffel. Am Wochenende haben mehrere Parteifreunde dem CDU-Fraktionsvorsitzenden kräftig eingeschenkt. Steffel sucht sein Heil nun bei PDS-Mitgliedern
von UWE RADA
Ausgerechnet Allerheiligen. Ausgerechnet an jenem Feiertag, an dem die Christen von alters her jener Heiligen gedenken, die schon zu Lebzeiten zur Legende wurden, degradieren führende Christdemokraten einen der ihren zum Säulenheiligen. Die Rede ist von Frank Steffel, dem Noch-Fraktionsvorsitzenden der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus.
Den Anfang machte ganz unchristlich der frühere Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen. „Ein Nachfolger muss seinen eigenen Weg suchen. Konzeptionelle Schwäche führt allerdings leicht dazu, dass in der Sucht zur Abgrenzung jedes Augenmaß verloren wird“, sagte Diepgen in Anspielung auf ein neues Strategiepapier. Damit hatte Frank Steffel auf der CDU-Klausurtagung am vergangenen Wochenende die „Ära Diepgen/Landowsky“ für beendet erklärt und einen Abschied von der „Klientelpolitik der Vergangenheit“ gefordert.
Mit der Diffamierung der CDU als Klientelpartei, so Diepgen weiter, setzten sich die Urheber dieser Behauptung „dem Verdacht intellektueller Unzulänglichkeit“ aus. Mit über 40 Prozent Stimmenanteil könne eine Partei schon per definitionem nicht Klientelpartei sein.
Dass der Exregierende Diepgen und der gescheiterte Kandidat Steffel keine Freunde sind, ist ebenso bekannt wie der wachsende Wunsch der Christdemokraten, mit Frank Steffel Berlins unbeliebtesten Spitzenpolitiker so schnell und unspektakulär wie möglich loszuwerden.
Neu ist allerdings, dass neben Diepgen nun auch nahmhafte CDU-Politiker Steffels Sturz vom Heiligenthron unterstützen. So auch der ehemalige Wirtschaftssenator und jetzige Chef des mächtigen CDU-Kreisverbandes Neukölln, Wolfgang Branoner. Ebensfalls am Allerheiligenwochenende sagte Branoner, die Partei habe genügend Potenzial, um auch an der Spitze der Fraktion eine gute Führung zu installieren. „Zum Beispiel Peter Kurth ist einer, der integrativ nach innen wirken kann und gesellschaftlich nach außen“, sagte Branoner dem Kurier am Sonntag.
Kurth selbst äußerte sich dazu gestern nicht. Er sagte aber der taz, dass „in der Fraktion und im Landesverband die Einsicht wächst, dass die CDU ein paar Dinge klären muss, um in der Stadt wieder ernst genommen zu werden“.
Weniger zurückhaltend äußerte sich der Abgeordnete und Kreischef von Pankow, Rene Stadtkewicz. „Steffels Strategie-Papier ist völliger Unsinn und falsch.“ Die Basis begreife Steffels Politik nicht. Der Abgeordnete und Kreischef in Marzahn-Hellersdorf Mario Czaja erklärte, er sei sich „ganz sicher, dass es bei der nächsten regulären Fraktionsvorstandswahl mehr als einen Kandidaten geben wird“.
Der Abgeordnete Alexander Kaczmarek mahnte gestern indes, sich um Zukunftsbewältigung und nicht um Vergangenheitsbewältuigung zu kümmern. Aber auch Kaczmarek konnte sich eines Seitenhiebs auf Steffel nicht enthalten. „Eine Aufarbeitung des Diepgen-Senats brauchen wir nicht mehr, unser Gegner heißt Rot-Rot.“
Steffel selbst wies die Rücktrittsforderungen zurück. „Ich bleibe selbstverständlich bis 2004 Fraktionschef und werde mich nicht von meinem Weg abbringen lassen.“ Der freilich gleicht immer mehr einer Flucht nach vorne. Selbst Ungläubige sind Steffel dabei willkommen. In einem Interview mit der Zeitschrift Super Illu sagte er, in der CDU sollten auch PDS-Mitglieder mit einer vorausgegangenen SED-Karriere grundsätzlich willkommen sein. In der PDS gebe es aber zahlreiche Mitglieder, die in ihrer Leistungsbereitschaft, ihrer werteorientierten Grundhaltung den Unionspositionen sehr nahe stünden.
Die turnusmäßige Neuwahl des CDU-Fraktionsvorstands findet zwar erst in anderthalb Jahren statt. Christliche Feiertage, an denen die Messer gewetzt werden, gibt es zuvor aber noch zuhauf. Wer weiß, vielleicht bekommt Frank Steffel ja schon zum Nikolaustag die Rute.
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