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Keine Ermittlungen im Fall Qosay K.Mit der Aufklärung allein gelassen

Qosay K. starb nach Polizeigewahrsam. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt – und weist nun die Beschwerde dagegen zurück.

Der Tod von Qosay K. sorgte für viel Anteilnahme: Bank im Delmenhorster Wollepark im April 2021 Foto: dpa / Sina Schuldt

Hannover taz | Im Fall des 19-jährigen Qosay K., der am 5. März nach einer Polizeikontrolle im Delmenhorster Polizeigewahrsam kollabierte und später im Krankenhaus verstarb, hat die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg nun die Beschwerde der Hinterbliebenen-Anwältin Lea Voigt gegen die Einstellung der Ermittlungen zurückgewiesen.

Gegen die eingesetzten Po­li­zei­be­am­ten und Ret­tungs­sa­ni­tä­te­r wurde wegen Körperverletzung, unterlassener Hilfeleistung im Amt und fahrlässiger Tötung ermittelt. Nach Sach- und Rechtslage halte man die Entscheidung für richtig, die Verfahren einzustellen, so die Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg, Carolin Castagna, gegenüber der taz. Es sei geprüft worden, was ermittelt wurde und ob mehr hätte gemacht werden können.

Das „Bündnis in Erinnerung an Qosay“ äußert sich in einer Pressemitteilung empört. Die Ermittlungen seien von der Staatsanwaltschaft widerwillig und voreingenommen geführt worden, das Ergebnis sei in sich widersprüchlich, so Gundula Oerter vom Bündnis. Dass die Ermittlungen so schnell eingestellt wurden, zeige, „dass es niemals ein ernsthaftes staatsanwalt­schaftliches Interesse an der Aufklärung von Qosays Tod gab“, sagt Oerter.

Die Anwältin Lea Voigt habe viele Lücken und Unstimmigkeiten in den bisherigen Ermittlungen nachgewiesen, die Generalstaatsanwaltschaft aber habe weder die Vorladung weiterer Zeu­g*in­nen noch die Ausermittlung offener Fragen oder die Klärung der Todesursache für nötig gehalten.

Anwälte prüft Klageerzwingungsverfahren

So sei eine von Krankenhausärzten diagnostizierte Thrombose, die auf ein Bauch­trauma durch äußere Gewalteinwirkung zurückzuführen sein könnte, vom Tisch gewischt worden. Die Ermittlungen hätten sich auf einen im Magen gefundenen Superabsorber unklarer Herkunft und eine Intoxikation konzentriert. Ob dieser Superabsorber aber auch im Krankenhaus post mortem in den Mageninhalt gelangt sein könnte und ob die Einnahme von Superabsorbern überhaupt tödlich sei, interessiere die Generalstaatsanwaltschaft nicht.

Die Hinterbliebenen haben in einem solchen Fall nur wenig rechtliche Möglichkeiten. Anwältin Voigt prüft nun ein Klageerzwingungsverfahren. Damit lasse sich allerdings eine Aufklärung nicht erzwingen, betont Voigt. „Die muss nun durch die privaten Bemühungen meiner Man­dan­t*in­nen vorangetrieben werden, wie es ja leider auch bei anderen Todesfällen dieser Art der Fall war.“

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3 Kommentare

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  • weiss jemand, was Superabsorber sind?

  • Bei jeder Beschwerde wegen Misshandlung / Folter oder gar in Polizeigewalt passierte Todesfälle muss es in Deutschland endlich automatisch a) von Staatswegen angestrengte Untersuchung geben und darf dies nicht den traumatisierten Opfern von Polizeigewalt oder den Angehörigen von Getöteten überlassen bleiben und muss b) diese von einer von Polizei (Innenministerium) und Justizministerium vollkommen unabhängigen, neu zu schaffenden Ermittlungseinheit passieren. Zum Beispiel nach dänischen Vorbild.



    www.handelsblatt.c...qtZcTKwubdfkAv-ap4



    Nach Antifolterkonvention (illegale Polizeigewalt IST Misshandlung und unter Umständen Folter auch wenn hierzulande schon begrifflich verharmlosend von "Körperverletzung im Amt" gesprochen wird) ist der Staat selbst in der Pflicht, für eine zügige und unabhängige Untersuchung zu sorgen und dafür dass automatisch jeder Verdachtsfall untersucht wird nicht erst durch Opfer- oder Hinterbliebenenanwält:innen. In keinem anderen Bereich der Kriminalität ist die Aufklärungsrate so gering wie im Bereich "Körperverletzung im Amt", die meisten Verfahren von den bereits unter 2 Prozent die überhaupt zu Stande kommen werden eingestellt. Das ist die pure Verhöhnung von Opfern und Hinterbliebenen und die Unterminierung des Rechtsstaates der damit das Vertrauen der Bürger:innen in staatliche Organe verspielt. Dass Opfer so gut wie nie Gerechtigkeit erfahren und Staatsdiener:innen keinerlei Strafverfolgung fürchten müssen, ist die Regel in Diktaturen aber auch in Deutschland unter vehementer Verteidigung des Status quo (Die obersten Dienstherr:innen der Polizei die Innenminister:innen kommen noch immer damit durch unabhängige Ermittlungseinheiten abzulehnen ebenso wie wissenschaftliche Untersuchungen zum Phänomen illegale Polizeigewalt.



    kviapol.rub.de/

  • Da hatte im Vergleich, Hr. Kemmerich wohl großes Glück mit dem Leben davon gekommen zu sein.



    Es verstärkt sich der Eindruck, dass eine Überlebenschance bei Zugriff der Polizei immer häufiger von den beteiligten Beamten abhängt, als vom geltenden Gesetz, das uns Bürger schützen soll.