Kein Geld: Mittellose Fundtier-Verwaltung
Das Bremer Tierheim wirft der Stadt vor, zu wenig für seine kommunalen Dienstleistungen zu zahlen. Spenden könnten die Defizite nicht mehr ausgleichen.
Über 500 privat betriebene Tierheime sind dem Tierschutzbund angeschlossen. Sie haben häufig Verträge mit den Gemeinden, denn die besitzen keine eigenen Einrichtungen für Tiere. „Fakt ist“, sagt Lea Schmitz, Sprecherin des Tierschutzbundes, „dass die Tierheime im Schnitt 80 Prozent ihrer Aufgaben für die öffentliche Hand wahrnehmen, aber nur 20 Prozent davon erstattet bekommen.“
Die Stadt Bremen zahlt dem örtlichen Tierheim seit 2013 eine jährliche Pauschalentschädigung von knapp 400.000 Euro – und kommt damit günstig weg: Das zuständige Innenressort lehnte den Hamburger Ansatz ab, Tagessätze für die aufgenommene Tiere zu überweisen. Denn das hätte fast doppelt so viel gekostet.
Auch Alternativen wie Tierhotels oder ein stadteigenes Tierheim wären teurer gewesen. „In der Bremer Einrichtung arbeitet die Hälfte der über 80 MitarbeiterInnen ehrenamtlich“, sagt Wolfgang Apel, Vorsitzender des Tierheims.
Die Kosten für die kommunalen Aufgaben deckt der gezahlte Betrag nicht. In den Vertragsunterlagen zur Pauschalentschädigung steht, dass das Bremer Tierheim den Restbetrag – fast eine Million Euro – „durch das Einwerben von Spenden, Sponsoringzahlungen und Nachlässen erwirtschaftet“. Das war bisher auch der Fall. Nach Ansicht von Apel könne man aber nicht davon ausgehen, dass auch künftig genügend gespendet wird.
Im Auftrag der Kommunen kümmern sich Tierheime um sogenannte Fundtiere. Wie verlorene Gegenstände in Fundbüros kann der Besitzer sie innerhalb einer Frist zurückverlangen. „Natürlich kann man dem Tier aber nicht ansehen, ob es ausgesetzt oder herrenlos ist“, erklärt Schmitz.
Vielen Gemeinden wirft Thomas Schröder, Vorsitzender des Deutschen Tierschutzbundes, vor, sich dabei aus der Verantwortung zu ziehen: „Es heißt oft, Katzen laufen eh draußen herum, die können keine Fundtiere sein.“ Und dann müssten die Kommunen die Kosten für die Unterbringung nicht übernehmen.
Der Tierschutzbund fordert von den Kommunen deshalb, grundsätzlich für jedes gefundene Tier zu zahlen. So läge die Beweislast, ob es sich um ein Fundtier handelt, nicht bei den Tierheimen.
In Bremen gibt es Apel zufolge keine Probleme bei der Anerkennung der Fundtiere. Laut Olaf Bull von der Innenbehörde liege das daran, dass sich hier beide Seiten auf eine Pauschale geeinigt hätten. Apel bestätigt das, hält die Pauschale für zu niedrig und fordert eine höhere Finanzierung, um die Kosten des Tierheims zu decken.
Auch Veterinärämter nutzen die Kapazitäten der privaten Einrichtungen. Werden Tiere in Fällen von „Animal Hoarding“ oder illegalem Tierhandel beschlagnahmt, landen sie meist in Heimen. Ausreichende finanzielle Hilfe bekommen die dafür selten. „Oft werden die Tierheime aufgefordert, sich das Geld von den Haltern zu holen“, sagt Schmitz. „Die Züchter illegal importierter Welpen sind aber im Regelfall nicht greifbar und die wenigsten Tiersammler können die Unterbringung bezahlen.“
So wie ein Bremer Ehepaar, dem das Veterinäramt im vergangenen Jahr 105 Katzen abnahm und diese ins Tierheim brachte: Über 200.000 Euro kostete das laut Tierheim-Vorsitzendem Apel. Veterinäramt und Tierheim in Bremen wollen deshalb einen Vertrag aushandeln, der die Finanzierung solcher kostspieligen Einsätze regelt.
Bis dahin geht es weiter wie gehabt – und das kritisiert Christina Jantz, Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion: „Kein Tierheim lässt ein Tier vor der Tür stehen – egal, wie viele Kosten erstattet werden.“ Und Schröder zufolge seien sich die Kommunen dessen bewusst: „Das ist emotionale Erpressung“. Laut Jantz will die SPD-Bundestagsfraktion das Landwirtschaftsministerium mit einem Positionspapier über die Kostenprobleme der Tierheime aufmerksam machen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Nach der Sicherheitskonferenz
Expressverbindung von München nach Paris