Kein Fracking in Litauen: Landvolk wehrt Energiekonzern ab
Der Konzern Chevron hatte in Litauen einen Auftrag zu Bohrungen nach Schiefergas in der Tasche. Nach Protesten wurde das Projekt nun gestoppt.
VILNIUS taz | Die Entscheidung sei ein Ergebnis des Klimawandels, sagt ein Sprecher des Energiekonzerns Chevron. Er meint allerdings eher so ein soziales Klima: „Signifikante Änderungen im steuerlichen, rechtlichen und ordnungspolitischen Klima in Litauen“ seien der Grund dafür, dass der US-Multi nun doch die Finger von einem umstrittenen Fracking-Projekt lässt, das in dem baltischen Staat zuletzt immer mehr Gegner fand. Übersetzt: Weil der Widerstand in der Bevölkerung zu groß wurde, will Chevron nun doch nicht nach Schiefergas bohren.
Dabei schien noch vor einem Jahr alles schon wie eingetütet: Weil der Konzern in Vilnius lautstark damit lockte, dass Litauen künftig unabhängig von der Energieversorgung durch Russland sein könnte, standen dem Vorhaben alle Türen offen. Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite schwärmte von Schiefergas als einer Alternative zum russischen Erdgas, und im Parlament herrschte breite Zustimmung.
Wie schon ihre konservative Vorgängerin erklärte auch die neue sozialdemokratisch geführte Regierung die Schiefergaserkundung und -förderung zur politischen Priorität. Die Genehmigung zur Erkundung der Schiefergasvorkommen in der Region Samogitia schien nur noch Formsache zu sein.
Als im Februar erstmals eine kleine Gruppe lokaler Demonstranten von Samogitia nach Vilnius reiste, wurden diese von Medien und Politikern überwiegend als „Ewiggestrige“ und „fünfte Kolonne Moskaus“ diffamiert. Doch die Menschen in Samogatia gaben nicht auf. Als ersten Erfolg konnten sie verbuchen, dass der Umweltausschuss des Parlaments eine Umweltverträglichkeitsprüfung anregte. Eine solche war zunächst als überflüssig angesehen worden.
Anhaltende Proteste und Meldungen aus dem Ausland über dortige Fracking-Folgen ließen in den folgenden Monaten immer mehr Parlamentsabgeordnete schwanken – bis die Regierung die Parlamentarier nicht mehr ignorieren konnte.
Regierung prüft Gesetzesänderung
Chevron wurde schließlich grünes Licht für die Erkundung signalisiert – aber unter einer Auflage: dass sich der Konzern mit den lokalen Behörden in Samogitia über die Durchführung der Arbeiten einigen könne und die dortigen Gemeinderäte diese absegneten. Das aber scheiterte nun „an der negativen Haltung gegenüber den Investitionen Chevrons“, wie Premierminister Algirdas Butkevicius in der vergangenen Woche erklärte.
Ganz am Ende ist der Protest allerdings noch nicht: Butkevicius kündigte an, die Regierung werde nun prüfen, ob die Gesetzgebung noch gelockert werden könne.
Leser*innenkommentare
Mopsfidel
Habe mittlerweile das Gefühl, wir - also die Deutschen - sind zu einem Volk der gleichgültigen Warmduscher geworden. In vielen Nachbarstaaten (Europa) gehe die Menschen wegen großen Themen auf die Straße. Und hier? Schaut man in der Tagesschau, wie "ungehorsam" sich wieder "ein paar" verhalten haben.
Energy Autonomy
Ist das ein Wunder, wenn es Menschen im Vergleich zu nahezu allen Ländern um sie herum recht gut geht?
Dass diese Hoffnung sehr trügerisch sein wird, wenn sowohl zwischen den Staaten, als auch jeweils in diesen immer mehr zwischen arm und reich gespalten wird, davon allerdings bin ich stark überzeugt.
Und darin genau - im Aufblättern dieses Trugbilds - liegt die enorme Gefahr! Merkt denn niemand, wie sich schon jetzt die rechtsextremistischen oder zumindes rechtspopulistischen Kräfte in den Regierungen breit machen, rings um uns, seien es Ungarn, Österreich oder jetzt sogar Frankreich und Norwegen.
Haben auch wir in unserem Stolz auf unsere starke DEUTSCHE Wirtschaft und dem Hinnehmen der damit verbundenen Auswirkungen auf die anderen Länder daran mit einen Anteil?
Gaston
Gast
"Landvolk" ? Ernsthaft ?
warum nicht gleich "Bauerntrampel" oder "Dorfdeppen" ?
solch eine menschenfeidliche, Abwertende Sprache muss nun wirklich nicht sein!
tomas
@Gaston "Landvolk" , für mich ist dies keine menschenfeindliche, abwertende Sprache, Ernsthaft...