Anastasia Zejneli Economy, bitch: Keeping up with Ministerin Katherina Reiche
Katherina Rückschritt Reiche ist die Kris Jenner der deutschen Politik. Die Wirtschaftsministerin und die Mutter der Kardashians, der einzig wahren Realitystars des US-amerikanischen Fernsehens, haben verblüffend viel gemeinsam. Zwei Selfmadegeschäftsfrauen, die für ihre persönlichen Erfolge an ihre Grenzen gehen. Und das nicht im positiven Sinn.
Reiche quält uns nun seit mehr als 100 Tagen mit ihrer aus der Zeit gefallenen Wirtschaftspolitik: Der Frau für alles Fossile sind der Klimaschutz und die Ziele, die sich die Bundesregierung noch unter ihrem Vorgänger Robert Habeck von den Grünen gesetzt hat, herzlich egal.
Stattdessen drängt sie darauf, neue Gaskraftwerke zu bauen, um Strom zu erzeugen. Statt die heimische, erneuerbare Energie zu fördern, will sich Reiche noch abhängiger von externen Lieferanten machen. „You’re doing amazing, sweetie“, flüstert ihr die Gaslobby in begeisterter Kris-Jenner-Manier ins Ohr.
Denn Reiche ist nicht ganz zufällig eine Freundin der Gasenergie. Bis zu ihrem Jobwechsel in das Wirtschaftsministerium war sie Managerin eines Energiekonzerns, der Eon-Tochter Westenergie.
Reiche beschreibt sich gern als „harte Nuss“. Kris Jenner würde ihre Arbeitsmoral lieben, hat sie sich doch selbst mit ihrer Familie ein Milliardenimperium aufgebaut. Ihr Motto: „Wenn jemand zu dir Nein sagt, sprichst du mit der falschen Person.“ Alles ist möglich für Kris und ihre Familie, auch wenn sie ihre ganz eigenen Herausforderungen meistern müssen.
„Keeping up with the Kardashians“ begleitete von 2007 bis 2021 Kris und ihre Kinder beim alltäglichen Scheitern der Superreichen. Iconic sind die Aufnahmen, als Tochter Kim ihren 75.000-Dollar-Ohrring im Meer verliert oder als Mutter Kris sie maßregeln muss, weil sie lieber Selfies macht, als ihrer Schwester Khloé, die ins Gefängnis muss, zu trösten.
Im Internet wird Kris als toughe momager gefeiert, doch verkaufte sie die Privatsphäre ihrer Kinder an die Öffentlichkeit. Die jüngeren Schwestern Kendall und Kylie waren während der Dreharbeiten erst zwölf und zehn Jahre alt. Und bis heute steckt sie sich Prozente aus den Umsätzen ihrer fünf Töchter in ihre Taschen. Während Kris wenigstens zugibt, dass sie jede Träne und jeden Skandal für Quoten melkt, verkauft uns Reiche ihr fossiles Kind, das Gas, als zukunftsfähige Ressource. Sie inszeniert den Klimaschutz als Theater: ein bisschen Photovoltaik im Hintergrund, ein paar Lippenbekenntnisse vor laufenden Kameras, und schon wirkt es so, als würde die Show weitergehen. Doch sobald das Publikum genauer hinsieht, merkt man: Grün wird die Zukunft mit Reiche nicht sein.
„Keeping up with the Kardashians“ brachte uns Drama und Versöhnung. Keeping up with Katherina Reiche bringt uns Winter ohne volle Gasspeicher, weil sie die Warnungen der Grünen, diese zu füllen, ignoriert. Dazu kommen verzögerte Windparks und eine ausgebremste Solarförderung. Während die Kardashians wenigstens für Unterhaltung sorgen, liefert Reiche vor allem Unsicherheit, und das in einem Land, das eigentlich Stabilität bräuchte, um die Klimakrise zu bekämpfen. Mit Kris Jenner kann man 20 Staffeln lang lachen und weinen. Mit Katherina Reiche droht uns dagegen eine Zukunft, in der die Realität zur Show wird. Am Ende gibt es statt Glamour nur klimapolitischen Stillstand.
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