Kaum Sex und schwache Küken: Der Weißstorch klappert nicht mehr
Für die Weißstörche in Norddeutschland war 2016 ein mieses Jahr: Wegen Klimafolgen und feuchter Witterung gab's kaum Nachwuchs.
Schleswig-Holsteins Störche haben in diesem Jahr weniger Nachwuchs als erhofft. Rund ein Drittel weniger Jungvögel als in den Vorjahren zählte der Nabu. „In diesem Jahr haben 347 Jungstörche aus eigener Kraft das Nest verlassen“, sagt Jörg Heyna von der dortigen Nabu-Arbeitsgruppe Storchenschutz. In den beiden vergangenen Jahren seien jeweils über 500 Jungvögel gezählt worden. Dabei hatten 266 Paare im Frühjahr mit der Brut begonnen – ähnlich viele wie 2014 und 2015. Doch der Erfolg lässt zu wünschen übrig.
„Enttäuschend“ seien die Zahlen auch in Hamburg, berichtet der dortige Nabu. 30 Paare hätten lediglich 43 Jungtiere aufgezogen, eine desaströse Bilanz. Zwei Jahre zuvor hatten 29 Paare immerhin 73 Küken groß gezogen – eine Rekordmarke für die Ewigkeit. Denn der Bruterfolg der Störche in Norddeutschland reiche nicht aus, um die natürlichen Verluste auszugleichen, warnen die Naturschützer. Dass der Bestand nicht zusammenbreche, liege vor allem daran, dass erwachsene Jungstörche aus Regionen mit höherem Bruterfolg, vor allem aus Polen, die Lücken auffüllten. Wie lange noch, ist ungewiss.
Aus Niedersachsen liegen noch keine Zahlen vor. Ersten Schätzungen zufolge könnte sich das gute Ergebnis von 2015 in etwa bestätigen. Damals zogen 772 Paare 1.497 Jungstörche auf. Diese Marke von fast zwei Jungen pro Paar gilt Naturschützen als Minimum für den Erhalt des Bestandes. Rund drei Viertel der Jungen überleben das erste Jahr nicht, geschlechtsreif werden sie erst mit drei bis vier Jahren.
Weißstörche waren früher in Mitteleuropa weit verbreitete Brut- und Sommervögel.
In Deutschland wurden 1934 bei der ersten internationalen Storchenzählung etwa 9.000 Paare gezählt.
1959 waren es nur noch 4.800 Paare, der Tiefststand wurde Mitte der 1980er-Jahre mit weniger als 3.000 Paaren erreicht.
Der Höchststand wurde im Jahre 2004 mit 4.482 Paaren erreicht. Seitdem sind es durchschnittlich etwa 4.300 Paare pro Jahr.
90 Prozent des Bestandes brüten im Einzugsgebiet der Elbe. In Norddeutschland sind es rund 1.000 Paare.
Hauptverbreitungsgebiet der Störche sind Polen und das Baltikum mit etwa 80.000 Paaren, einem Drittel der Gesamtpopulation.
Es gebe noch keinen Alarm, „aber Grund zur Besorgnis“, sagt Kai-Michael Thomsen vom Nabu-Storchenzentrum in Bergenhusen bei Husum. Hier brüten Jahr für Jahr mehr als 20 Paare in einer der größten Weißstorch-Kolonien Europas. Wenig Mäuse gebe es dieses Jahr, sagt Thomsen, deshalb seien viele Jungvögel verhungert: „Es gab nicht genug zu fressen.“ Deshalb weisen auch viele flügge Jungstörche Mangelerscheinungen auf wie schlappe Muskeln, krumme Beine oder schlechtes Gefieder – keine guten Voraussetzung für den Flug nach Süden ins Winterquartier.
Auch El Niño hat Auswirkungen
Vor allem aber habe schlechtes Wetter zum Einbruch der Bestände beigetragen. Dauerregen und niedrige Temperaturen im Mai seien für Storchenküken oft verhängnisvoll und sogar tödlich. „Das könnte der Auftakt sein zu einem längerfristigen Populationsschwund“, befürchtet Thomsen, ohne sich darauf festlegen zu wollen. Es gebe immer wieder natürliche Schwankungen, sogenannte Störungsjahre wie zuletzt 2005 und 1997. Aber wenn sich eine Situation wie in diesem Jahr 2017 und 2018 wiederhole, werde es ernst.
Zudem hat auch das globale Klimaphänomen El Niño Auswirkungen auf den Storchenbestand in Norddeutschland gehabt. In Südafrika führte diese Klimastörung zu Dürren oder Überschwemmungen. In der Folge kamen viele Störche geschwächt und verspätet aus ihren Winterquartieren – für eine erfolgreiche Brut oft zu spät.
„2016 war ein schwieriges Jahr für den Weißstorch“, resümiert Christoph Kaatz, Sprecher der Nabu-Bundesarbeitsgruppe Weißstorchschutz. „Schlechte Jahre kommen immer mal wieder vor“, sagt NABU-Storchenexperte Kaatz. „Sie können aber meist über mehrere gute Storchenjahre ausgeglichen werden.“ Was ihn beunruhigt, ist die Tendenz zu extremer Trockenheit oder heftigen Niederschlägen. Das würde sich „langfristig negativ“ auswirken, befürchtet Katz.
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