Katzenwäsche mit junger Truppe

Die Volley Cats Berlin sind vom Erfolg früherer Jahre entfernter denn je – richten soll es nun ein Trainerneuling

Am schlimmsten ist die Stille. Gerade, weil sie so selten ist. Meist quatscht sie der Hallensprecher zu. Wenn nicht, zum Beispiel sobald zu Auszeiten gerufen wird oder ein Seitenwechsel ansteht, müht sich eine Cheerleadergruppe zu Energy-Musik, sie zu übertünchen. Wenn das mal nicht gelingt, ist die Beklemmung sofort wieder da. Auch die Ersatzspielerinnen der Volley Cats spüren das, versuchen dagegen anzuklatschen, geben aber schnell wieder auf – aufmunternder Applaus von zwei, drei Frauen in einer Halle, in der gut und gerne 1.000 Zuschauer Platz hätten, das klingt gespenstisch.

Volleyball in Berlin ist ein schwieriges Geschäft in diesen Tagen. Bis vor kurzem war noch gar nicht klar, ob die Volley Cats Berlin zum Start der neuen Bundesliga-Saison überhaupt noch existieren würden. Die Zeiten der großen Erfolge, als man unter dem Namen CJD Berlin Meisterschaften, Pokalsiege und Europacup-Gewinne in Serie feierte, sind seit Jahren vorbei. Allein: die Ansprüche sind geblieben und mit ihnen die Schulden. Ein Insolvenzverfahren konnte nur durch Privatbürgschaften von Manager und Präsident verhindert werden, die Geschäftsstelle wurde aus Kostengründen aufgelöst und Trainer Andrzej Niemczyk flüchtete zum türkischen Spitzenclub Ezcabasi Istanbul.

Jetzt muss in Hohenschönhausen Anzugträger Sergej Danilov an der Seitenlinie Seriosität und Zuversicht verströmen, obwohl er zuvor nie als Bundesligatrainer gearbeitet hat. Würde er nicht von der turnusmäßigen Auflösung der Juniorinnen-Nationalmannschaft profitieren, die im vergangenen Jahr außer Konkurrenz in der Bundesliga mitspielen durfte, er hätte mit Anja-Nadin Pietrek und Sabine Sagert nur noch zwei Spielerinnen zur Verfügung. Der Rest des Kaders speist sich aus den sechs Neuzugängen vom VC Olympia, die allesamt erst 18 oder 19 Jahre alt sind, plus Anja Solovyava, die aus Kiew nach Berlin kam.

Sergej Danilov hat es wohl schon bemerkt: Er befindet sich in einer Zwickmühle. Der Weißrusse ist bei Mannschaft und Management nicht unumstritten und sich zudem bewusst, dass er nach Niemczyks Weggang nicht unbedingt erste Wahl war – er musste unter den Augen von Manager Heinz Kuring sogar ein Probetraining absolvieren. Einerseits müssen nun schnell Erfolge her, andererseits sind die mit Infrastruktur und Kader der Volley Cats kaum zu erreichen.

„Bitte, schreibt jetzt nicht zu negativ“, bat er nach dem ersten Heimspiel am Samstag, „in Berlin herrschen sowieso viel zu hohe Ansprüche.“ Das Spiel gegen den SSV Ulm ging, wie bereits der Saisonauftakt in Münster, mit 0:3 (18:25, 17:25, 18:25) verloren. Die reale Chance auf ein anderes Ergebnis bestand gegen die erfahrenen Nationalspielerinnen aus Finnland, Holland Tschechien, Kasachstan, Kroatien, Kanada und Deutschland im Team der Ulmer nie. Natürlich weiß Danilov warum: Man sei noch nicht stabil genug, habe kaum Zeit zum Einspielen gehabt und überhaupt: Es mangele an Erfahrung und Routine. Das sieht Heinz Kuring nicht viel anders, und obwohl er sagt, Sergej Danilov habe genügend Zeit, kann man sich kaum vorstellen, dass die Geduld des Mannes mit dem Lenin-Bart unendlich sein wird. „Unser technisches Repertoire ist eben begrenzt, wir werden am Anfang noch mehr Spiele dieser Art verlieren“, relativiert der Manager, um im nächsten Satz sofort ungemütlich zu werden: „Heute war’s noch viel schlechter als in Münster. Es kann doch nicht sein, dass nach vier Wochen immer noch keine Fortschritte zu sehen sind.“

So ist das derzeit in Hohenschönhausen: Als Europacup-Sieger und Abonnementmeister wähnt man sich noch in einer Reihe mit Alba sowie Hertha und zeigt sich erfolgsverwöhnt („Unser Ziel sind die Play-Offs“). Gleichzeitig überlebt man nur noch aufgrund privater Bürgschaften sowie Geldern von Spielbank und Landessportbund. Die Verantwortung hat man an einen unerfahrenen Trainer abgeschoben, dem man zudem nur bedingt Vertrauen schenkt, und an eine Mannschaft, die zum großen Teil aus dem letztjährigen VC Olympia besteht – nur ohne das Privileg, außer Konkurrenz antreten zu dürfen. Ansonsten regiert das Prinzip Hoffnung. Das ist, nicht nur gegen Teams wie das vom SSV Ulm, zu wenig.

Im letzten Satz, die Partie war schon längst entschieden, nahm Sergej Danilov mit Sabine Sagert und Anja-Nadin Pietrek, die unter Rückenschmerzen litt, die beiden einzigen Spielerinnen des Vorjahreskaders aus der Partie. Auf dem Feld standen nun, abgesehen von der ebenfalls erst 19-jährigen Anja Solovyova, nur noch Spielerinnen aus dem ehemaligen Berliner Olympia-Kader. Es war die beste Phase der Volley Cats. Nur geklatscht hat da schon niemand mehr. Nicht mal die Ersatzspielerinnen.

HOLGER STRÖBEL