Katar im Finale der Asienmeisterschaft: Kleines Land ganz groß
Bei den Asienmeisterschaften steht erstmals Katar im Endspiel. Der Erfolg hat mit einer riesigen Talentsichtung und dem belgischen Eupen zu tun.
Seine Mannschaft spielte bei der Asienmeisterschaft ohne die Unterstützung eigener Fans. Zuletzt beim 4:0 im Halbfinale gegen den Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, warfen Zuschauer Flaschen und Schuhe auf den Rasen, ein Zeichen tiefer Abneigung. Die Emirate unterstützen die 2017 verhängte Handelsblockade Saudi-Arabiens gegen Katar. Doch Félix Sánchez Bas wiederholt seit Wochen Sätze wie: „Wir konzentrieren uns nur auf den Sport.“
Am März 1970 bestritt die katarische Nationalmannschaft ihr erstes Länderspiel. Fast fünfzig Jahre später streift sie nun erstmals ihre Statistenrolle bei einem großen Wettbewerb ab. Nach sechs Siegen in sechs Spielen beim Asien-Cup, mit einer Torbilanz von 16:0 trifft sie an diesem Freitag im Finale in Abu Dhabi auf Japan.
Immer mehr Medien außerhalb Asiens interessieren sich für diesen Aufstieg, doch Félix Sánchez Bas sagt: „Für uns sind diese Leistungen keine Überraschung. Wir haben dafür jahrelang hart gearbeitet, wir sind als Gemeinschaft gewachsen.“
Von der U19 zum A-Team
Félix Sánchez Bas, 43, begann seine Laufbahn mit Anfang zwanzig als Jugendtrainer beim FC Barcelona. 2006 wechselte er in die „Aspire Academy“ in Doha, eines der weltweit größten Trainingszentren des Spitzensports. Die 2004 eröffnete Akademie ist das Zentrum für die vielleicht größte Talentsichtung der Fußballgeschichte. Hunderttausende Jugendliche wurden in Dutzenden Ländern auf drei Kontinenten beobachtet. Die Vergabe der WM 2022 im Jahr 2010 intensivierte den Austausch mit Wissenschaftlern und Akademien in Europa.
Sánchez übernahm 2013 die U19-Auswahl Katars, und führte sie ein Jahr später zum Gewinn der Asienmeisterschaft. So lernte er in der Akademie auch jene Spieler kennen, die aktuell das Gerüst des A-Nationalteams bilden. Seit 2017 betreut er die Auswahl, die ein Durchschnittsalter von 24 Jahren hat. Etliche der 23 Spieler im Kader haben durch ihre Vorfahren Wurzeln in anderen Ländern, doch nur vier wurden nicht in Katar geboren, darunter der in Portugal aufgewachsene Verteidiger Ró-Ró und der im Sudan geborene Stürmer Almoez Ali. Der 22-Jährige schoss bei der Asienmeisterschaft bereits acht Tore.
Sánchez Bas, Katars Trainer
Die traditionellen Fußballmärkte in Europa schauten lange misstrauisch auf Einbürgerungen in Katar. Von den bislang vier Medaillengewinnern bei Olympischen Sommerspielen wuchsen zwei außerhalb des Landes auf. Besonders in der Kritik stand die Handball-WM 2015 in Katar: Der Gastgeber gewann Silber mit vielen eingebürgerten Spielern, die zuvor kaum Verbindungen mit dem Land gehabt hatten und teilweise schon für andere Nationen aktiv waren. Die Fifa jedoch hat strengere Einbürgerungsregeln. 2004 stand zur Debatte, den Brasilianer Aílton nach Doha zu holen, der Plan wurde verworfen.
„Die Hoffnungen in unserem Land wachsen“
Womöglich auch wegen dieser Kritik aus Europa betonen Funktionäre aus Katar, dass man die heimischen Talente stärken wolle. Doch das Nationalteam repräsentiert die katarische Gesellschaft kaum. Von den 2,5 Millionen Einwohnern haben nur etwa 10 Prozent einen katarischen Pass, bei der großen Mehrheit handelt es sich um Arbeitsmigranten aus Indien oder Pakistan.
Der Erfolg bei der Asienmeisterschaft dürfte nun die Aufmerksamkeit europäischer Spielerberater nach Katar lenken. Bislang war KAS Eupen eine der wichtigsten Ausbildungsstätten außerhalb des Emirats. 2012 hatten katarische Investoren den Verein gekauft, 2016 stieg er in die erste belgische Liga auf. Die Aspire Academy schickte bislang 19 Spieler nach Eupen. Von den aktuellen Nationalspielern haben sieben in Eupen Erfahrungen gesammelt.
Paradies für angehende Ruheständler
Nach anderthalb Jahrzehnten produzieren die teuren Spitzensportstrukturen die ersten sichtbaren Ergebnisse. Aber reicht das? „Wenn Katar langfristig Erfolg haben will, braucht das Land eine Sportkultur“, sagt der Wissenschaftler Danyel Reiche. Lokale Vereine oder Breitensportgruppen gibt es selten.
Der Sender Al Jazeera hat zuletzt immer wieder Bilder von Zuschauern gezeigt, die in Doha die Tore ihres Teams bejubeln. Aber wird sich diese Stimmung auf den Alltag übertragen? Die erste Liga lockt nur wenige tausend Zuschauer an und gilt als Paradies für angehende Ruheständler, zurzeit für Xavi und Gabi. „Die Hoffnungen in unserem Land wachsen“, sagt Ali Afif, seit 2006 Nationalspieler für Katar. „Aber das ist erst der Anfang eines langen Weges.“
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