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Katalanische RegionalpräsidentschaftPuigdemont zieht Kandidatur zurück

Aus dem Exil verkündet Carles Puigdemont, nicht erneut für das Amt des Regionalpräsidenten zu kandidieren. An der Konfrontation mit Madrid ändert das nichts.

Nachricht ans Volk: Carles Puigdemont erklärt per Video seine Absage Foto: Puigdemont/Handout via reuters

Madrid ap/taz | Der Ex-Präsident der katalanischen Autonomieregierung, Carles Puigdemont, hat überraschend seine erneute Kandidatur für das Amt zurückgezogen. In einer Videobotschaft aus Brüssel sagte er am Donnerstag, er trete zur Seite, damit das katalanische Parlament einen anderen Kandidaten finden könne, der eine Regionalregierung bildet und der die festgefahrenen Unabhängigkeitsbestrebungen wieder voranbringt.

Puigdemont schlug für seine Nachfolge Jordi Sanchez vor, der allerdings derzeit in Madrid im Gefängnis sitzt, wo das Oberste Gericht eine Anklage wegen Rebellion und Volksverhetzung gegen ihn und Dutzende andere Separatisten prüft. Laut El Pais ist ein zweiter Kandidat als Plan B in petto: der Ex-Berater Jordi Turull, der zwar ebenso Angeklagter in dem Verfahren ist, aber sich derzeit zumindest auf freiem Fuß befindet.

Dennoch würde Puigdemonts Verzicht nichts an der jetzigen Konfrontation zwischen Madrid und den Separatisten ändern: Die spanische Regierung hat erklärt, dass sie keinen Kandidaten für die katalanische Regionalpräsidentschaft akzeptieren werde, gegen den juristische Verfahren laufen.

Die separatistischen Parteien in Katalonien hatten sich zuvor für Puigdemont ausgesprochen. Die drei Parteien stimmten mit ihrer Mehrheit auch einem Antrag zu, der das im Oktober abgehaltene Unabhängigkeitsreferendum als rechtlich gültig anerkennt, obwohl das Verfassungsgericht entschieden hatte, dass es nicht durchgeführt werden dürfe. Madrid hatte danach das Regionalparlament aufgelöst, die Regionalregierung abgesetzt und eine Neuwahl im Dezember abhalten lassen. Dabei gewannen separatistische Parteien wieder eine knappe Mehrheit. Katalonien ist derzeit Madrid direkt unterstellt.

Puigdemont war zusammen mit anderen Mitgliedern seiner abgesetzten Regierung nach der Unabhängigkeitserklärung im katalanischen Parlament nach Belgien geflohen. Das Oberste Gericht entschied nach der Neuwahl, dass er für eine Wiederwahl als Regierungschef im katalanischen Parlament anwesend sein müsse. Bei der Einreise nach Spanien müsste er aber wohl mit seiner Festnahme rechnen.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy twitterte daraufhin, „der Radikalismus mancher Leute in Katalonien“ schade der Wirtschaft der Region und dem Wohlergehen der dortigen Familien.

Der Antrag im katalanischen Parlament ging nicht so weit, Puigdemont zum Regierungschef zu erklären – bei einem solchen Schritt würde möglicherweise das Verfassungsgericht einschreiten. Mit Puigdemonts Rückzug ist dieses Thema aber nun erledigt.

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11 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Rajoy vergisst sich miteinzbeziehen, wenn er von Radikalismus spricht. Wie schwach muss er sich fühlen, dass er alle Unabhängigkeitsbefürworter die Präsident in Katalonien werden wollen, vor den Kadi stellen lässt und einsperren lässt, nur weil sein Strohmann bloss 3% bei den Wahlen bekommen hat.

    Ausserdem muss er auch von aktuellen Schwierigkeiten ablenken, denn die Rentner scheuen weder Sturm noch Eis, um auf die Strasse zu gehen wegen der demütigenden Erhöhung von 0.25%, die die korrupteste Regierung Europas den Rentnern grosszügig gewährt, bei einer Inflationsrate von 1.6% und einem Wachstum von fast 3%. Dafür müssen die dann noch ihre arbeitslosen Kinder und Enkelkinder ernähren und logieren. Aber davon liest man ja nichts in der taz.. die auch jetzt mal wieder meinen Beitrag unterdrücken wird.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Das ist das dumme an Gewaltenteilung und unabhängiger Justiz. Da wird gegen Rechts- und Verfassungsbrecher ermittelt und entsprechende Verfahren eingeleitet, sogar wenn sich diese glauben sich übers Gesetz stellen zu können (oder für sich selbst die Rolle des "Präsidenten" eines nichtexistierenden Gebildes reklamieren). Gut so. Und wohltuend. Und natürlich steht die Region Kakaphonien in Sachen Korruption der in Kastilien in nichts nach.

      Wobei man natürlich wissen will, in welchem Paralleluniversum Sie zuhause sind, wenn Sie die spanische Regierung für die korrupteste in Europa halten ....

    • @82236 (Profil gelöscht):

      Herr Rajoy lässt ja niemanden "vor den Kadi" stellen weil er Präsident werden möchte. Gegen die von Herrn Puigdemont benannten Personen wurde doch bereits vor der Wahl ermittelt. Herr Puigdemont wollte doch zum Abschluss nur ein wenig sticheln.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @DiMa:

        Wieder mal nicht richtig gelesen. Nicht Rajoy, sondern sein Strohmann sollte Präsident werden, der hat aber nur 3% bekommen und die Unabhängigkeitsbefürworter die Mehrheit, trotz oder gerade wegen der Verhaftungen. Jetzt ist er ein schlechter Verlierer, weil er sich mit den Neuwahlen verzockt hat. Die Abstrafung der PP, Rajoys Partei hat auch gezeigt, dass die Katalanen mit 97% iger Mehrheit die korrupte Rajoy-Clique ablehnen, ganz gleich wie sie zur Unabhängigkeit stehen.

        Zur Lösung des Konflikts trägt Rajoys Rachefeldzug natürlich nicht bei. Er sollte doch lieber auf die Bürgermeisterin von Barcelona hören und ein Referendum ermöglichen, dazu braucht man nur die Verfassung zu ändern und das kann sehr schnell gehen. Rajoy kennt sich da aus, denn, um die EU-Vorgaben zu erfüllen, hat seine Regierung die Verfassung ja bereits mehrmals geändert.

        • @82236 (Profil gelöscht):

          Im Übrigen sehe ich es genau wie Sie. Eine Verfassungsänderung vor der Wahl wäre der richtige Weg gewesen und ist noch immer der richtige Weg. Hierbei kann auch bestimmt werden, wer abstimmen darf (nur die Katalanen oder alle Spaniener) und welche Quoten zu erfüllen sind (50 Prozent oder 2/3tel-Mehrheit).

           

          Eine solcher Antrag auf Änderung der Verfassung kann durch die Abgeordneten des spanischen Parlaments jederzeit eingebracht werden. Herr Rajoy selbst muss dabei nicht tätig werden und ist auch kein Garant für einen entsprechenden Ausgang. Es steht ihm und seiner Partei vollkommen frei, gegebenenfalls gegen eine Änderung der Verfassung zu werben und zu stimmen.

           

          Bedauerlicherweise haben die Separatisten diesen Weg bisher noch nicht versucht.

  • Demokratie im 21. Jahrhundert ....

  • Die drei separatistischen Parteien haben aufgrund der Vakanz von vier Sitzen noch keine Mehrheit um überhaupt einen Präsedenten zu wählen. Nunden, zunächst mal ist ein kleiner und wichtiger Zwischenschritt zur Normalisierung in der Region erreicht.

    • @DiMa:

      Wieso? Die andere Seite kann doch auch keinen Präsidenten wählen. Der Schwebezustand bleibt also...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Herr Puigdemont hat (zumindest inzedent) bisher stets behauptet er sei noch immer der Präsident Kataloniens und er erkenne die Neuwahlen nicht an bzw. sei auch nach der Neuwahl erneuter Präsident. Zumindest dieses ganze Wirrwarr ist endlich beendet. Wer dann neuer Regionalpräsident wird ist eigentlich egal, solange sich dieser an die Verfassung hält.

        • @DiMa:

          Viel ist damit aber nicht erreicht.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ja. Das ist wahr. Es ist nur ein Anfang.