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Kartellamt-Entscheidung zu FacebookDie sanfte Zerschlagung

Das Bundeskartellamt treibt Facebook in die Enge. Scheibchenweise könnte so die Marktmacht des sozialen Netzwerks beschnitten werden.

Die Macht von Facebook wird brüchig Foto: Arnulf Hettrich

Die Netzgemeinde feiert. Und den Grund zur Freude liefert ausgerechnet das Bundeskartellamt. Von Dankesschreiben an Behördenchef Andreas Mundt ist die Rede auf Twitter; hämisch grinsende Smileys werden tausendfach im Netz verschickt; der Sieg für den Verbraucherschutz wird bejubelt. Denn: Das Kartellamt zeigt, dass es keine Furcht vor dem Netzgiganten Facebook hat. Künftig darf die weltweit größte soziale Plattform zwar Daten sammeln, aber die Informationen über ihre Nutzer und Nutzerinnen aus ihren unterschiedlichen Diensten und Angeboten nicht länger zusammenführen.

Was simpel und vor allem einleuchtend klingt, ist ein echter Schlag für das Geschäftsmodell von Firmenchef Mark Zuckerberg, der damit geschätzte 22 Milliarden US-Dollar Gewinn macht. Jedes Jahr. Jetzt muss er für den deutschen Markt seine Geschäftsbedingungen ändern.

Bisher wurden sämtliche Daten der User*innen auf ihrem Facebook-Konto zusammengeführt – und zwar egal woher sie kamen. Also von konzerneigenen Diensten wie WhatsApp und Instagram oder über Drittwebsites. Nun jedoch müssen die Nutzer*innen explizit ihre Einwilligung geben, wenn sie nichts gegen eine solche Zuordnung haben. Die Zustimmung ist freiwillig und darf keine Vor- oder Nachteile für Nutzer*innen bringen. Stimmen sie nicht zu, müssen die Daten bei den anderen Diensten oder externen Websites bleiben. Gesammelt werden darf trotzdem, aber eben nicht alles in einem Topf landen.

Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, spricht von einer „inneren Entflechtung“ bei den Daten und einem „faktisch schrankenlosen Ausmaß“. Er geht ganz klar von einer marktbeherrschenden Stellung des Konzerns aus. „Die Kombination von Datenquellen hat ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass Facebook einen so einzigartigen Gesamtdatenbestand über jeden einzelnen Nutzer erstellen und seine Marktmacht erreichen konnte“, sagt er.

Facebook nutzt eine „Zwangssituation“ aus

Jeden Tag nutzen mehr als 1,5 Milliarden Menschen weltweit das Netzwerk von Facebook. In Deutschland sind es rund 23 Millionen täglich. Wettbewerber wie Google+ sind längst ausgebootet und haben keine Chancen gegen den Netzgiganten. Auch Snapchat, YouTube, Twitter, LinkedIn oder Xing kommen an die Marktmacht Facebooks nicht heran. Es ist also praktisch unmöglich, auf andere Dienste auszuweichen, wenn Nutzer*innen ähnliche Reichweiten erzielen wollen.

Für Mundt entsteht eine „Zwangssituation“, die der Konzern ausnutzt und missbraucht. Aber nicht nur dort. Sondern jedes Mal, wenn Verbraucher*innen im Netz surfen. Schließlich kommt kaum eine Seite ohne den „Like“- oder „Share“-Button aus, der zu Facebook gehört. Auch wenn der gar nicht angeklickt wird, wird der Datenfluss zu Facebook ausgelöst, denn die Seite wurde schlicht aufgerufen.

Die Entscheidung des Bundeskartellamts löste nicht nur im Netz Freude aus, sondern auch europaweit bei Datenschützer*innen und Verbraucherschützer*innen. Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte auf taz-Anfrage, dass man die Arbeit des Bundeskartellamtes eng begleite. Die Facebook-Entscheidung habe man durchaus zur Kenntnis genommen. Zugleich verwies die Kommissionssprecherin auf die europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO). Sie gilt seit 25. Mai 2018 und will den wahllosen Austausch und die unkon­trollierte Nutzung digitaler Daten deutlich begrenzen.

Allerdings sind die zuständigen Behörden auf EU-Ebene, aber auch in den EU-Staaten nach wie vor überfordert von der Fülle an Beschwerden und Anfragen aus den Staaten. Bis hier etwas passiert, werden vermutlich noch Jahre vergehen.

Jimmy Schulz (FDP), Vorsitzender des Digitalausschusses im Bundestag, erhofft sich nach der Entscheidung des Bundeskartellamtes eine „Signalwirkung“ auf andere Staaten. „Wie jeder selbst Verantwortung für den Umgang mit seinen Daten trägt, haben auch die Unternehmen eine Verantwortung: Sie müssen ihre Nutzerinnen und Nutzer aufklären und ihnen ermöglichen, selbstbestimmt zu entscheiden“, sagte Schulz der taz. Für ihn sind die neuen Auflagen für Facebook ein Zeichen für mehr Selbstbestimmung und Klarheit bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen.

Den Algorithmus verwirren

Das sieht auch Konstantin von Notz so. Der Netzexperte der Grünen spricht von einem „Ausverkauf der Grundrechte“, von einer „überfälligen Entscheidung“ und von einem „Riegel“, der den Online-Plattformen endlich vorgeschoben werden muss. Facebook habe nicht erkannt und verstanden, welch große gesellschaftliche Verantwortung man als Plattform habe, sagt er.

Aber allein bei den Vorgaben des Bundeskartellamtes darf es nicht bleiben, fordert von Notz. Er setzt sich für eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts ein, damit es den Anforderungen des digitalen Zeitalters entspricht.

Allerdings ist es derzeit äußerst fraglich, ob eine solche Vorlage kommt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat unlängst angekündigt, wettbewerbsrechtliche Vorgaben eher lockern zu wollen, als zu verschärfen, um Investitionen zu erleichtern und Investoren zu locken.

Die Kartellbehörde hat Facebook einen Schlag versetzt. Keine Frage. Fraglich bleibt aber, wie und ob sich die Forderungen der Wettbewerbswächter überhaupt technisch umsetzen lassen. Auf Millionen Seiten im Netz ist der „Like“-Button eingebettet. Etliche Seitenbetreiber nutzen zudem „Facebook Analytics“, um ihre Reichweite zu analysieren. Schließlich sind auch sie auf die digitalen Geheimnisse ihrer Nutzer*innen angewiesen. Was mögen die Leser*innen? Wann haben sie besondere Vorlieben? An welchen Stellen bleiben sie länger hängen? Diese Informationen sind schlicht viel Geld wert. Soll der „Like“-Button verschwinden oder lieber doch nicht, da dann das eigene Geschäftsmodell in Gefahr ist? Der Ratschlag aus dem Netz auf diese Fragen: wahllos alles „liken“. Wenn der Algorithmus verwirrt ist, wird er aufgeben.

Kartellamt droht mit Bußgeldern

Facebook hat sich wenig überraschend sehr geärgert über die Entscheidung der Kartellwächter. Nur wenige Minuten nach Mundts Verkündung teilt das Unternehmen mit, Beschwerde einzulegen. Der Fall liegt nun beim Oberlandesgericht Düsseldorf.

Angst macht dem Netzgiganten wohl nicht nur die Tatsache, dass sein Geschäftsgebaren so nicht weitergehen kann, sondern auch die angedrohten Strafen, wenn die Auflagen nicht eingehalten werden. Das Kartellamt spricht von Zwangsmitteln, die dann zum Tragen kommen, wenn die Entscheidungen der Behörde rechtlich durchgesetzt werden müssen. Konkret können das Bußgelder von rund 10 Prozent des Jahresumsatzes sein oder fortlaufende Zwangsgelder, die sogar bis zu 10 Millionen Euro pro Monat hoch sein können. Um das zu verhindern, muss Facebook liefern und dem Bundeskartellamt technische Lösungen vorlegen.

Für Andreas Mundt, den Chef der Kartellbehörde, ist der Fall Facebook ohnehin erst der Anfang. Er will den Digitalkonzernen keine Schlupflöcher mehr lassen. Nach dem sozialen Netzwerk hat er längst die nächsten Firmengiganten im Blick, die Konsum über das Netz so einfach machen und deren Geschäftsmodell die Ausbeutung der Daten ihrer Nutzer und Nutzerinnen ist. Amazon und Google sind vermutlich die Nächsten, die von der Behörde dazu um Stellungnahmen gebeten werden. Denn auch ihr wertvollster Schatz sind die digitalen Informationen, die diejenigen hinterlassen, die solche Seiten aufrufen.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die Entscheidung des Kartellamtes ist für Facebook der Super-GAU, weil Entscheidungen des Kartellamtes nicht so einfach ausgehebelt werden können, wie das bei der DSGVO der Fall ist.



    Nur noch einmal zur Erinnerung: Solange die DSGVO noch nicht endgültig in Kraft getreten war hatte Facebook aus Angst vor ded dt. Datenschutzbehörden sich mit der Zusammenführung der Daten aus Facebook und WhatsApp zurückgehalten.



    Kaum war die DSGVO in Kraft kam die Zusammenlegung der Daten, gegen die das Bundeskartellamt aus wettbewerbsrechtlichen Gründen einschreitet.



    Die Umsetzung der Entscheidung des Bundeskartellamtes würde also eigentlich nur den Zustand von vor dem 25. Mai letzten Jahres wieder herstellen, wobei Facebook sicher alle Rechtsmittel ausschöpfen wird.

  • Zunächst einmal: eine sinnlose Entscheidung, weil das deutsche Kartellamt das gar nicht durchsetzen kann. Grob geschätzt stehen rund 100% aller FB Server nicht in unserem Land, und davon wieder ne ganze Menge auch nicht in der EU. Also wird man gar nicht kontrollieren können, ob man nicht doch in den USA noch einen großen Topf hat, in dem alles landet. Nur weil man es den deutschen Usern anders anzeigt, muss man es technisch ja nicht so machen.



    und Sammeln der Daten von Like-Buttons - auch wenn man nicht aktuell bei FB eingelockt ist (oder gar ein FB-Profil hat), das kann man bei FB gut genug per Geolocation rausfischen. Für den Rest der Welt gehts weiter wie bisher... und natürlich auch für Deutsche die grade mal nicht mit einer IP surfen die man in Deutschland verorten kann. Da genügt es schon wenn man nahe der Grenze ist und sich bei nem ausländischen Handymast einloggt.

    Wann kapieren unsere Neuländer endlich das man ein internationales Netz nicht mit Nationalen Gesetzen regeln kann - und auch das ein Internationales Unternehmen sich auch gar nicht nach nationalen Gesetzen richten kann. Was macht man z.B. wenn 2 Länder gegenteilig lautende Gesetze haben? Z.B. Land A sagt: alles Abhören und den Geheimdiensten übergeben - Land B sagt: Datensparsamkeit, Daten dürfen nicht herausgegeben werden.

    Ach ja, als letztes noch: FB ist ein Unternehmen der US Amerikaner - ratet mal welches Gesetz für die das führende ist...

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @danny schneider:

      "Wann kapieren unsere Neuländer endlich das man ein internationales Netz nicht mit Nationalen Gesetzen regeln kann - und auch das ein Internationales Unternehmen sich auch gar nicht nach nationalen Gesetzen richten kann. "

      Sagen Sie das mal der Regierung der VR China. Die weiß noch nicht, dass das was sie tut nicht funktionieren kann.

      de.wikipedia.org/w...kt_Goldener_Schild

      • @83492 (Profil gelöscht):

        Falsch gedacht China macht das genau weil sie keine Kontrolle haben.



        In China ist es verboten die Bevölkerung über die Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens zu unterrichten.



        China könnte jetzt per Gesetz sagen eine Seite wie Wikipedia muss das löschen.



        Machen wir zum Glück noch nicht!!!



        Daher blockt China die Inhalte die der Regierung nicht passen. Dennoch sind diese Inhalte da und man kann auch von China darauf zugreifen - mit entsprechendem Aufwand, aber es geht.

        Und unser EU Parlament hat mit den Uploadfiltern graade den gleichen Schwachsinn beschlossen.

        Na ja wenn Leute wie ich genug angepisst sind opfern wir halt mal unsere Freizeit und schreiben neue Protokolle und damit ein neues Internet... technisch darstellbar. Eines das man nicht mehr abhören oder blocken kann (außer total)

  • Die Ambitionen des Kartellamts wirken gutgemeint, aber es ist kaum glaubhaft, wie ausgerechnet das Bundeskartellamt diese ziemlich willkürliche und fragwürdige Entscheidung weit über ihr Verfügungsgebiet hinaus denn durchsetzen will. Da will wohl jemand den Populisten geben.

  • Ach, was, die wedeln ein wenig mit dem Handschuh, dann schreiben sie eine Schnittstelle für den BND vor.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...interessant, kein Mensch wird gezwungen, bei 'Facebook' mitzumachen.



    Es gab auch google+, nur, keiner wollt's haben.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      das witzige ist - ich habe kein Facebook Profil und trotzdem tracken die mich - uns alle. Schon mal nachgesehen wieviele Seiten Code von Facebook einbinden? auch ohne Like-Button?

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Googles Macht ist noch deutlich größer als die von FB. Jedes andere Netwerk wäre eine Option, aber ausgerechnet Google+ ganz sicher nicht. Und der Übergang ist nahezu unmöglich, keiner wechselt, so lange da nichts los ist. Folglich kommt es auch nie in Gang.