piwik no script img

Karstadt macht Shoppen schwerBummeln mit Kaufhausdetektiven

Kommentar von Alke Wierth

Karstadt am Hermannplatz schreibt schwarze Zahlen, hieß es noch kürzlich. Doch großen Wert scheint man darauf nicht zu legen.

Wo sonst soll man mal eben Nähgarn oder einen Reißverschluss kaufen, wenn nicht im Kaufhaus? Foto: dpa

E s fing alles damit an, dass ich es irgendwann nicht mehr schaffte, meine ab und an aufflackerndern Kleiderkaufgelüste bei Karstadt am Hermannplatz zu befriedigen. Das ist so ein gutes Jahr her, die Abriss- und Neubaupläne für das traditionsreiche Warenhaus am Hermannplatz waren gerade öffentlich bekannt und vom Kreuzberger Baustadtrat abgelehnt worden.

„Was ist das neuerdings alles so schrecklich klein geblümt kitschig hier?“, hatte ich die Verkäuferinnen in der Modeabteilung gefragt, die sich daraufhin wissende Blicke zuwarfen und mich geradezu drängten, doch bitte einen Beschwerdezettel auszufüllen: Auch sie wussten spürbar nicht mehr, wie sie das unter die Leute bringen sollten, was da plötzlich an den Kleiderstangen hing und aussah, als sei es aus dem Lager des kleinen Damenmodegeschäfts auf der anderen Seite des Hermannplatzes aufgekauft worden.

Karstadt am Hermannplatz sei einer der wenigen Standorte der Warenhauskette, der noch schwarze Zahlen schreibe, hatte ich kurz zuvor gelesen. Dem war ganz offenbar der Kampf angesagt worden.

Denn so ging es weiter. Kaufhäuser laufen nicht mehr? Aber wo soll man sonst mal eben einen Korkenzieher, eine Zitronenpresse, einen Reißverschluss kaufen? „Bei Woolworth!“, lautete der Rat eines Karstadt-Verkäufers, als ich mich darüber mokierte, dass es Zitronenpressen in seinem Haus zwar gab, aber nur von Designern ab 17 Euro aufwärts, aus gebürstetem Edelstahl.

Bei Woolworth!, lautet der Rat des Karstadt-Verkäufers

Woolworth, 200 Meter weiter: Hier kostet die Zitronenpresse aus buntem Plastik 1,70 Euro und hält wohl höchstens zwei Jahre – immerhin bekomme ich also 10 Stück davon, bis ich bei dem Preis des Karstadt-Luxusprodukts angelangt bin – sooo durchgentrifiziert sind wir hier am Hermannplatz ja nun doch noch nicht, Karstadt!

Und das waren dann, wie ich wenig später feststellen musste, auch die letzten Begegnungen mit Verkäufer*innen auf der Karstadt-Fläche gewesen. Sie waren spätestens nach den Lockerungen des Corona-Shutdowns im Frühjahr nahezu komplett verschwunden und durch Kaufhausdetektive ersetzt worden.

In der Kurzwarenabteilung gab ich nach einer guten halben Stunde die Suche nach einer Verkäuferin, die mir Stoff von der Rolle hätte schneiden müssen, auf. Auf meinem Weg zur Kasse, mit einer Spule Nähgarn in der Hand, folgten mir dann wachsamen Blicks gleich zwei Kaufhausdetektive.

Ich jedenfalls glaube seither fest an die These meines Kollegen Jonas Wahmkow, der kürzlich schrieb, dass der Karstadt-Eigner an Warenhäusern (und deren Beschäftigten, muss man wohl ergänzen) nicht interessiert sei. Nur an den Immobilien, in denen sich diese befinden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Kolumnistin taz.stadtland
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Amazon und co. brauchen keine Kaufhausdetektive und nötigen ihren Kunden Kreditkarte auf oder Abhöranlagen wie Akexa an.

    Ein großer Pluspunkt für den online Handel.



    Für die Gesellschaft eher eine Katastrophe.

  • 0G
    02881 (Profil gelöscht)

    Habe ich auch schon in verschiedenen Häusern beobachtet und scheint gängige Praxis in der Branche zu sein. Bestimmte Bereiche, Abteilungen oder ganze Häuser werden durch "Umgestaltung", "Sortimentsverschiebungen" unattraktiver gemacht um dann wg. zurückgehenden Umsätzen die Abteilungen oder ganze Häuser dicht machen zu können. Unternehmerisches Handeln. Kein Wunder dass die großen Kaufhäuser seid Jahren so mies dastehen...

  • Zitronenpressen aus Plastik sind in Wirklichkeit ziemlich unkaputtbar.

  • RS
    Ria Sauter

    Ich kann das ebenfalls bestätigen.



    Anscheinend ist man sehr daran interessiert, die Filialen allesamt zu schliessen.



    Es gibt nur noch sehr wenige Kassen, Verkäufer/innen sucht Frau vergebens.



    Das Restaurant hat die Öffnungszeiten geändert, was die letzten treuen Kunden auch noch vertrieben hat.



    Dort nämlich konnte jeder ab 8.30 gemütlich frühstücken und das wurde auch sehr gut angenommen.



    Nun wird um 10 Uhr geöffnet und alles ist gähnend leer.

  • Kann ich nur bestätigen. Ich habe ähnliche Erfahrungen in fast allen Bereichen des Kaufhauses machen müssen. Das ist kein Missmanagement, das ist so beabsichtigt.