piwik no script img

Karlsruher Urteil zu DDR-ErziehungMehr Gerechtigkeit für Heimkinder

Rehabilitierungsanträge werden für Bewohner von DDR-Heimen einfacher: Der Stand der Pädagogik in der DDR darf nicht mehr Grund zur Ablehnung sein.

So sah es im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau (Sachsen) aus. Bild: dpa

KARLSRUHE dpa | Rehabilitierungsanträge ehemaliger DDR-Heimkinder dürfen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht allein mit dem Hinweis abgelehnt werden, dass die Einweisung damals dem Stand der Pädagogik entsprochen habe.

Mit dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss hoben die Karlsruher Richter eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg auf. Das OLG sei seiner Amtsermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen und habe damit das Recht des heute erwachsenen Klägers auf effektiven Rechtsschutz verletzt.

Der Mann war in der DDR von 1961 bis 1966 und 1967 bis 1970 in Kinderheimen untergebracht und hatte 2006 seine Rehabilitierung beantragt. 2007 wies das Landgericht Magdeburg den Antrag zurück: Es sei nicht ersichtlich, dass die Einweisung nach dem Stand der pädagogischen Wissenschaften von 1961 mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar gewesen sei. Das OLG bestätigte diesen Beschluss.

Die Verfassungsrichter halten es aber für nicht ausgeschlossen, dass der Kläger ins Heim kam, weil seine Mutter „unter Kontrolle“ gehalten werden sollte, nachdem ihr Bruder illegal die DDR verlassen hatte. „Seine Außenkontakte waren erheblich eingeschränkt“, so die Richter. Keine individuelle Rückzugsmöglichkeit, keine Bewegungsfreiheit oder individuelle Freizeit zu altersgerechtem Spiel – das habe nichts mit „altersgerechten Freiheitsbeschränkungen“ zu tun gehabt (2 BvR 2782/10).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!